Energiemilliarden: Wie ABB vom Wirtschaftswachstum profitiert

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Das Geschäft des Technologiekonzerns ABB blüht: 400 Millionen Dollar Gewinn hat der schweizerisch-schwedische Technologiekonzern im dritten Quartal 2006 erwirtschaftet. Das sind 500 Millionen Franken bei einem Umsatz von knapp 7,5 Milliarden Franken. Wie schaffte der Konzern mit Hauptsitz in Zürich Oerlikon diese Wende? Noch vor vier Jahren stand ABB nämlich vor dem Untergang. Jetzt wurden allein in diesem Jahr in der Schweiz 200 neue Arbeitsplätze geschaffen. Und ABB wächst weiter und wird dieses Jahr einen Umsatz von rund 30 Milliarden Franken machen. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt des Libanon.

ABB profitiert sehr stark vom allgemeinen Wirtschaftswachstum. Einerseits wird in der aktuellen Phase verstärkt in Produktionsmittel investiert - das zeigen auch die guten Resultate der Schweizerischen Maschinenindustrie. Andererseits steigen die Energiepreise - und das bringt Umsatz für die Firma, die ihr Geld mit Energietechnologie verdient. Denn seit Öl und Gas teurer werden, lohnen sich selbst sehr hohe Investitionen, um neue Öl- und Gasvorkommen anzuzapfen. Und es lohnt sich andererseits, Energieverluste durch neue Technologie zu reduzieren. ABB produziert für beide Märkte. Gemäss Firmenangabe ist weltweit jedes zweite Ölbohrschiff mit ABB-Antriebssystemen ausgestattet. Diese erlauben es, ein Schiff auch bei schwerer See exakt über einer Bohrstelle zu positionieren - selbst wenn der Meeresboden in vier Kilometern Tiefe liegt. Um Energieverluste zu reduzieren, bietet ABB energiesparende Transformatoren und Übertragungssysteme in allen Grössen an. In diesem Jahr hat der Konzern allein in Algerien Aufträge in der Höhe von mehr als 600 Millionen Franken zur Modernisierung von Förderanlagen erhalten, dazu kamen grosse Aufträge zur Erneuerung von Stromleitungen in Mexiko und Südafrika. Der Auftrag, vier Schiffe, davon zwei Tanker für arktische Gebiete, mit Antriebsaggregaten zu versehen, bringt weitere 125 Millionen Franken. ABB ist dabei nicht nur im Energiesektor tätig. Von einem finnischen Papierhersteller erhielt sie für den Unterhalt der Firmenanlagen einen Vertrag im Wert von knapp 190 Millionen Franken.

Noch vor knapp vier Jahren stand die ABB mit Hauptsitz in Zürich-Oerlikon vor der Pleite. Die Aktie war für 3 Franken zu haben. Das war der dramatische Tiefpunkt in der kurzen Firmengeschichte. Heute steht die Aktie bei 18.60 Franken, und ABB ist ein Golden Global Player mit 107 000 Angestellten, der vielerorts mitmischt, auch bei umstrittenen Projekten wie dem Drei-Schluchten-Projekt in China oder dem Ilisu-Staudamm in der Türkei mitmischt. In der Schweiz beschäftigt ABB über 5000 Angestellte. In diesem Jahr wurden hierzulande 200 weitere Stellen geschaffen.

ABB war 1988 das Ergebnis der Fusion der schwedischen ASEA und der schweizerischen BBC - ein Vorgriff auf die ungebremste Globalisierung, die nach dem Ende des sowjetischen Imperiums 1989 einsetzte. Percy Barnevik hiess der schwedische Strahlemann, der die beiden Traditionsunternehmen mit 215 000 Beschäftigten zusammenführte und auch erfolgreich leitete. Dass er nicht als Held in die Firmengeschichte eingeht, hat er seiner Gier zu verdanken. Er liess sich seinen Abgang 1996 mit 148 Millionen Franken vergolden. Sein Nachfolger Göran Lindahl nahm beim Abgang im Jahr 2000 nochmals 85 Millionen Franken mit. Weil der Konzern im folgenden Jahr einen Rekordverlust von 1,2 Milliarden Franken machte, flog die Sache auf. Barnevik musste 90 Millionen Franken zurückzahlen, sein Nachfolger 47 Millionen Franken. Der damalige ABB-Verwaltungsrat und Financier Martin Ebner hatte den Skandal öffentlich gemacht.

Barnevik und seine Nachfolger bauten den Konzern um. Es ging nicht mehr um technische Extraklasse, es ging um hohe Gewinne. Traditionsreiche, aber kapitalintensive Bereiche wurden verkauft. So gelangte die Produktion von Schienenfahrzeugen über das Joint Venture Adtranz schliesslich an Daimler Chysler, die Turbinenproduktion übernahm Alstom. ABB blieb ein verschuldeter Gemischtwarenladen, eine permanente Baustelle. Dann, auf dem Tiefpunkt, übernahm 2002 Jürgen Dormann die Konzernleitung und schuf langsam die Wende. So überstand der Konzern auch Rückschläge: 2006 musste man in den USA den Opfern einer zur ABB gehörenden Asbestfabrik eine Milliardenentschädigung zahlen.