Cablecom: Guck oder stirb

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Sie ist wohl die Firma mit dem schlechtesten Ruf in der Schweiz. Mit dem Einstieg ins Fernsehgeschäft könnte die Swisscom der Cablecom diesen Rang bald ablaufen. Das Gute daran: Die Forderung nach einer unabhängigen Netzgesellschaft wird lauter.

Das Dorf Unterlunkhofen im Aargauischen Kelleramt hat sich ganz dem Wettbewerb um die besten nationalen Standorte verschrieben. Auf der Website des Ortes beschreibt Gemeindeammann Martin Vifian das 1300-Seelen-Dorf als «dynamisch, fortschrittlich und jung geblieben». In den achtziger und neunziger Jahren sei Unterlunkhofen die am stärksten wachsende Gemeinde der Agglomeration Zürich gewesen. Und: Der Steuerfuss ist mit 88 Prozent der zweittiefste im ganzen Kanton. Das Dorf an der Reuss zwischen Bremgarten und Muri wirbt auch mit seinen gut erhaltenen Infrastrukturen.

Tatsächlich können die UnterlunkhoferInnen beispielsweise seit Anfang Januar ohne Sendeunterbrüche fernsehen. Selbstverständlich ist das nicht: Die TV-KonsumentInnen der Region waren davor an Ausfälle beim Empfang gewöhnt. Vifian erklärt die Situation in seiner Gemeinde: «In den achtziger Jahren wurde das Kabelnetz gebaut. Doch seither stieg die Zahl der Anschlüsse. Erneuert hat die Cablecom die Infrastruktur aber kaum.» Es lohne sich nicht, hiess es vom grössten Kabelnetzunternehmen der Schweiz, das 2005 in US-amerikanischen Besitz überging. Dafür zahlen die Cablecom-AbonnentInnen in einigen Gemeinden der Region tiefere Gebühren. «Doch viele Einwohner würden lieber für ein besseres Angebot mehr bezahlen», weiss Vifian.

Also machte der Gemeinderat Druck bei der Cablecom und setzte gleichzeitig eine Arbeitsgruppe ein, die nach Alternativen suchte. Als diese Verhandlungen, unter anderem mit den Wasserwerken Zug, aufnehmen wollte, kündigte die Cablecom per Ende 2006 eine Verbesserung der Signalqualität an. Bis Ende 2008 will das Unternehmen allen Haushalten des Ortes Telefon, Internet und digitales Fernsehen aus der Cablecom-Steckdose anbieten. Damit gehört Unterlunkhofen zu den ersten Gemeinden der Region, die von einer Modernisierung profitieren sollen. Gerade die weniger dicht besiedelten ländlichen Gegenden stehen bei der US-Firma ansonsten ganz unten auf ihrer Prioritätenliste.

Doch auch ohne Sendeausfälle gibt es für die Cablecom-KundInnen genug Grund zum Klagen: Sie müssen mehr Gebühren für weniger Programme bezahlen, da Cablecom laufend Programme aus dem analogen Angebot streicht. Erst Ende Dezember hatte das Unternehmen bekannt gegeben, sechs weitere analoge Sender - darunter WDR, n-tv und France 2 - abzuschalten. Der Grund: Die Cablecom will ihre KundInnen zum Umsteigen auf das teurere Digitalfernsehen zwingen. Die Netzkapazitäten sind beschränkt, ein abgeschalteter analoger Sender schafft Raum für bis zu zehn digitale Sender. Die geplante Abschaltung der Sender wird vom Schweizer Konsumentenschutz (SKS) scharf kritisiert. Es gehe nicht an, dass die Cablecom laufend die Gebühren erhöhe und gleichzeitig ihr Angebot verkleinere.

Marktmacht

Der Ruf der Cablecom könnte schlechter nicht sein. Denn beim Fernsehen hört für viele der Spass auf. Steigt die Kiste am Samstagabend aus, blockieren frustrierte TV-KonsumentInnen nicht nur das Callcenter der Cablecom, sie holen auch die Gemeindeoberen vom Esstisch oder fragen bei der Polizei nach.

Doch nicht alle stimmen in das Klagelied mit ein. In den Marktstudien von Branchenspezialist Jörg Halter schneidet die Cablecom gar nicht so schlecht ab. Der Technologieberater glaubt, dass die Cablecom unter anderem zu schnell gewachsen ist. Seit sie Telefon-, Internet- und Fernsehdienste anbietet, verdreifacht sich bei einer Störung die Anzahl verärgerter KundInnen. «Das hat die Cablecom unterschätzt.» Zudem erneuern Telekomanbieter wie die Cablecom die Infrastruktur nicht überall gleich schnell. Halter: «Mit Investitionen warten Firmen einige Jahre, um Technologieschritte zu überspringen.» Die KonsumentInnen können nichts anderes tun, als den Versprechen der Unternehmen zu vertrauen. Cablecom-Pressesprecher Martin Wüthrich: «In die Infrastruktur investiert die Cablecom 2007 einen dreistelligen Millionenbetrag.» Die personellen und finanziellen Kapazitäten des amerikanischen Mutterhauses Liberty Global sind jedoch beschränkt. Vor allem ländliche Gegenden wie Unterlunkhofen bekommen das zu spüren. Immerhin wurde der Kundendienst im Jahr 2006 personell ausgebaut und die Ausbildung der Mitarbeitenden verbessert. «Für das Jahr 2007 sind zusätzliche Stellen bewilligt», sagt Wüthrich. Eine Folge davon: Beim Beratungszentrum des «Beobachters» gingen die Beschwerden über die Cablecom zurück. Der Prix Blamage 2007 geht nicht mehr wie 2005 und 2006 an die Cablecom.

Alles gut?

Ob das die rund 1,5 Millionen Cablecom-AbonnentInnen beruhigt in den Fernsehsessel fallen lässt? Griffige Mittel gegen das Unternehmen mit 850 Millionen Franken Umsatz und 1500 Beschäftigten hat vor allem der Preisüberwacher. Tatsächlich bremste dieser den Gebührenanstieg für das analoge und senkte die Preise für das digitale Angebot. Doch gegen das Verschieben von Sendern vom analogen ins digitale Fernsehen kann der Bund wenig unternehmen. Die Cablecom ist laut Bundesamt für Kommunikation einzig dazu verpflichtet, die SRG-Programme und neuerdings die jeweiligen lokalen Stationen zu verbreiten. Bis 2012 soll laut Cablecom die analoge Technik ganz verschwinden. Frustrierten Cablecom-AbonnentInnen bleiben als Alternativen nicht viel mehr als der Kauf einer Satellitenschüssel oder der Wechsel zur Swisscom. Die ehemalige Mitbesitzerin der Cablecom hat jedoch ihre eigenen Probleme mit ihrem digitalen Bluewin-TV. Seit dessen Start Mitte November 2006 hat die Swisscom 10000 Installationen vorgenommen. Schon jetzt gibt es Lieferengpässe bei den Geräten, zu wenig Installateure und Aufregung über das Kleingedruckte in den Verträgen bezüglich der Installationskosten. Telekomspezialist Jörg Halter prophezeit: «In einem halben Jahr wird die Swisscom bezüglich Kundendienst vor ähnlichen Problemen stehen wie die Cablecom.»

Zürich machts vor

Immer mehr Gemeinden und Städte suchen nach Alternativen zu den Grossanbietern Swisscom und Cablecom, so auch die Stadt Zürich: Im März 2007 stimmt die Bevölkerung über einen 200-Millionen-Kredit für den Ausbau des Glasfasernetzes durch das Elektrizitätswerk Zürich (EWZ) ab. Für Firmenkunden bieten die Elektrizitätswerke mehrerer Schweizer Städte schon heute diese Datenautobahn an. Doch das EWZ will nun auch grosse Wohnüberbauungen damit vernetzen und die Leitungen AnbieterInnen von Internet-, Fernseh- und Telefondiensten vermieten. Dank der hohen Übertragungskapazität der Glasfaserkabel können dereinst verschiedene Telekom- und Fernsehanbieter auf der EWZ-Infrastruktur um die KonsumentInnen buhlen. Die Elektrizitätswerke anderer Schweizer Städte schielen schon interessiert nach Zürich. Gut möglich, dass die Idee NachahmerInnen findet. Im Ausland planen oder betreiben bereits Grossstädte wie Köln, Stockholm, Chicago, Paris oder Wien staatliche Telekomleitungen.

«Der Bund hat bei der Infrastruktur einen künstlichen Wettbewerb geschaffen», sagt Telekomspezialist Jörg Halter. «Dort ist er aber am falschen Ort.» Infrastrukturnetze gelten als natürliche Monopole, bei denen ein Wettbewerb durch den Aufbau anderer Netze ausser zusätzlichen Kosten rein gar nichts bringt. Startet Zürich also eine Rückverstaatlichung der Kommunikationsinfrastruktur? «Jein», glaubt Halter. Verstaatlichung würde die Gründung einer einzigen Netzgesellschaft bedeuten, die wie das EWZ alleine das Netz betreibt. Der Wettbewerb soll schliesslich zwischen den Anbietern der Dienstleistungen stattfinden. Das Ja der Stadtzürcher PolitikerInnen - nur die SVP-Mitglieder waren dagegen - zum Glasfasernetz der EWZ ist laut Halter ein möglicher erster Schritt zur staatlichen Netzgesellschaft. Ob sich diese Idee in Bundesbern durchsetzt, ist aber fraglich. Vorläufig beherrschen die Swisscom und die Cablecom dank ihrer Netze noch den Markt und die Preise bei Telekom, Internet und Fernsehen.