Die Linke und der Service public (6): Der grosse Sprung nach vorn

Technologischer Fortschritt für alle: Wie die Swisscom konkurrenzfähig wird und dabei erst noch in Bundeshand bleibt

Die Swisscom ist die führende Anbieterin von Telekommunikationsleistungen in der Schweiz, ein gut rentierendes Unternehmen in einem Wachstumsmarkt. Ihr Marktanteil beträgt im Festnetz und im Mobilbereich zwischen 70 und 80 Prozent. Der Bund hält mit 65,5 Prozent die Mehrheit der Swisscom-Aktien.

Zur Vorgeschichte: Die PTT-Reform brachte 1998 die Trennung von Post und Swisscom, die Liberalisierung des Fernmeldemarktes und die Teilprivatisierung der Swisscom. Auch die Linke (mit Ausnahme der PdA) und die Grünen machten mit. Der politische Konsens lautete damals: Der Bund behält die absolute Mehrheit des Kapitals und der Stimmen der Swisscom. Dies wurde von keiner Seite in Frage gestellt und im Telekommunikationsunternehmensgesetz (TUG) so festgeschrieben.

Ein Mehrheitsaktionär kann die Politik seines Unternehmens bestimmen. Er kann sie für die Konsumentinnen und Konsumenten, die Beschäftigten und die Regionen sichern oder wie Feldschlösschen-Jeker dem Shareholder-Value opfern.

Bislang hat der Bundesrat keine sichtbare Unternehmensstrategie für die Swisscom entwickelt. Nun will er – kaum drei Jahre nach der gesetzlichen Neuregelung – die Swisscom in einem Schnellschuss praktisch vollständig verhökern, für den Bund Kasse machen und rund 30 Milliarden Franken lösen. Als politischen Deal verspricht er im Gegenzug die Einrichtung einer kleinen Bank (Kapital von 1 bis 2 Milliarden Franken) für die Post.

Aus der rudimentären Medienmitteilung des Bundesrates lassen sich im eilig geschnürten Swisscom/Post-Päckli vier Eckpfeiler, aber keinerlei volkswirtschaftliche Überlegungen ausmachen:

1. Die Kompetenz zum Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der Swisscom (heute beim Parlament und via Referendum beim Volk) soll mittels einer TUG-Revision an den Bundesrat gehen. Mit einer so genannten Golden-share-Regelung will er sich befristete Kontrollrechte für eine Minderheitsposition in einer spezialgesetzlichen AG sichern. Begründet wird der Schritt mit der angeblich fehlenden «Allianzfähigkeit» der Swisscom.

2. Mit der Schaffung einer Postbank sollen die Finanzdienstleistungen der Post ausgebaut werden – ein aus Sicht der Post notwendiger Schritt. Bei den Kantonalbanken und den Raiffeisenkassen stösst die künftige Konkurrenz erwartungsgemäss nicht gerade auf Gegenliebe. Die bürgerliche Wirtschaftspresse hat bereits das Sperrfeuer dagegen eröffnet.

3. Die heutigen Monopolgrenzen der Post (bei 2 Kilogramm statt wie mehrheitlich in der EU bei 350 Gramm) sollen herabgesetzt werden – dies gleichsam im vorauseilenden Gehorsam und autonomen Nachvollzug zur EU. Das Ansinnen mit bislang nicht diskutierter Brisanz würde die Stellung der Post im Schweizer Markt massiv schwächen und könnte rund 1000 Poststellen akut gefährden.

4. Und schliesslich folgen die so genannt flankierenden Massnahmen zur Abfederung der negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten und die Randregionen. Sie sollen über den ordentlichen Budgetweg und nicht über einen Kohäsionsfonds finanziert werden. Viel bundesrätliches Herzblut und Fantasie ist bei diesem Punkt nicht auszumachen.

Links und rechts hat die Positionierung zu den bundesrätlichen Vorschlägen nach kurzer Debatte an Konturen gewonnen. Die Aufschnürung des ungleichen Deals mit der sinnvollen Post-Bank von der unsinnigen Swisscom-Privatisierung wird auch politisch immer wahrscheinlicher. Zur Swisscom-Privatisierung zeichnen sich folgende Positionen ab:

Für die SVP und die FDP ist die Situation vordergründig und ideologisch einfach: Die vollständige Privatisierung der Swisscom wird mit Akklamation begrüsst. Sie bringt flüssige Mittel in die Bundeskasse für Steuergeschenke an die Reichen und eröffnet privat neue Geschäftsfelder und Profite.

Schon schwieriger wird die Positionierung für die CVP, hat sie ihre Stammlande doch just in den vom bundesrätlichen Deal bedrohten Randregionen. Der St. Galler CVP-Ständerat Eugen David hat sich in der ersten Swisscom-Debatte im Stöckli bereits kritisch zur Interpellation seines Schwyzer Parteikollegen Bruno Frick geäussert. Klar gegen die Privatisierungspläne Stellung genommen hat die christliche Gewerkschaft Transfair und mit ihr die christliche Gewerkschaft CNG.

Harte Debatten haben zu einer Klärung der Positionen bei der Linken geführt.

· Bundesrat Moritz Leuenberger, der das bundesrätliche Paket offenbar mit Überzeugung vertritt, sieht in der Swisscom ein «Klumpenrisiko», das er lieber früher als später loswerden möchte. Die Vorstellung, dass die Mehrheit der Swisscom-Aktien einmal in ausländische Hand geraten könnte, ist für ihn an sich «nicht Grauen erregend».

· SP-Nationalrat Ruedi Strahm stellt eine Trennung zwischen dem Festnetz der Swisscom, das beim Staat bleibt, und dem Swisscom-Betrieb, der privatisiert wird, zur Diskussion. Der Vergleich mit dem Hochspannungsnetz sticht angesichts der Konkurrenzsituation beim Kommunikationsnetz (Kupfernetz der Swisscom, privates Kabelnetz, Funkverbindungen, künftige Powerline) aber nicht. Sie würde letztlich zur Sozialisierung der Verluste (Festnetz), einer Privatisierung der Gewinne (Betrieb) und Effizienzverlusten führen.

· Die «ModernisiererInnen» und Unentschlossenen in der SP (die Nationalrätinnen Simonetta Sommaruga, Anita Fetz und andere) surfen um verschiedene Positionen, die letztlich einen Verkauf der Mehrheit der Swisscom möglich machen sollen. Gesichert werden soll bloss die Grundversorgung durch eine gesetzliche Regulierung. In diesem Punkt zeigen sich erstaunliche Parallelen nach rechts, wo lauthals verkündet wird, eine Privatisierung gefährde die Grundversorgung nicht.

· Eine klare Mehrheit der SP-Fraktion hat – wie die zuständige SGB-Gewerkschaft Kommunikation – nach intensiven Diskussionen in zwei Durchläufen klar gegen die vollständige Privatisierung der Swisscom Stellung genommen. Verbinden will sie dies mit einem Auftrag zu einer aktiven Eignerstrategie des Bundesrats und Auslösung einer Technologieoffensive in der Schweiz.

Für eine ADSL-Initiative

Was spricht aus linker Sicht für diese Position?

In der Telekommunikation wird im Kupfernetz ein technologischer Quantensprung möglich, den man bislang nur im Glasfaser- und Koaxialkabel für machbar gehalten hatte. Mit ihrem Festnetz hat die Swisscom die entscheidende Grösse in der Hand. Mit der ADSL-Technik wird es möglich, auch über das Kupfernetz zu günstigen Preisen zu telefonieren, superschnell zu internetten, und frei wählbare Fernsehprogramme abzurufen. Der schwedische Staat rüstet derzeit alle Haushalte und Unternehmen mit der zukunftsweisenden ADSL-Technologie aus.

Warum soll die flächendeckende Durchsetzung dieser neuen Technologie nicht auch in der Schweiz möglich sein? Alle Haushalte und Unternehmen in der Schweiz sind an das Kupfernetz angeschlossen. Mit einer raschen Einführung der ADSL-Technologie im ganzen Land kann die Schweiz in der Telekommunikation einen technologischen Sprung nach vorne machen – zum Nutzen von Haushalten, Unternehmen und aller Regionen der Schweiz. Sie alle erhielten einen preisgünstigen Zugang zur modernsten Telekommunikationstechnologie.

Der Bund als Mehrheitsaktionär der Swisscom hat das Instrument dazu in der Hand. Er muss es nur nutzen, statt mit einer Schnellschuss-Privatisierung Volksvermögen zu verscherbeln. Das Kapital für die technologische Aufrüstung (in der Höhe von geschätzten 5 Milliarden Franken) kann sich die Swisscom über eine Kapitalerhöhung beschaffen. An dieser beteiligt sich der Bund entsprechend seinem Anteil. Die dazu erforderlichen Mittel beschafft er sich über die Erträge aus den UMTS-Funklizenzen.

Die Vorteile für die Swisscom liegen auf der Hand. Sie bekommt einen Vorsprung auf die Konkurrenz: auf Cablecom, an die die Swisscom vor kurzem eine Drittels-Beteiligung verscherbelt hat, und auf die UMTS-Offensive der Mobilanbieter, bei der es mehr als fraglich ist, ob sie je Ertrag abwerfen wird. Gleichwohl wird sich auch die Swisscom eine UMTS-Lizenz sichern müssen.

Die Privatisierung und eine gute Grundversorgung seien zwei Paar Stiefel, heisst es von rechts. Formal stimmt das, politisch aber nicht. Das neue Fernmeldegesetz sagt über die Qualität der Versorgung herzlich wenig aus. Dem Bundesrat obliegt die Neudefinition der Grundversorgung im Telekommunikationsbereich, die mit der Neuausschreibung der Konzession 2002 bevorsteht. Mit einer raschen flächendeckenden Einführung von ADSL in allen Regionen der Schweiz und der richtigen Ausschreibung der Konzession auf diesem neuesten Stand der Technik wird gesichert, dass alle Regionen der Schweiz qualitativ hochwertig versorgt und zugleich die Marktposition der Swisscom gestärkt werden.

Die absehbaren Folgen einer Privatisierung auf die Grundversorgung liegen auf der Hand: Eine digitale Spitzenversorgung erhalten die grossen Agglomerationen. Die Randregionen verbleiben im analogen «Mittelalter». Sie bekommen dafür – je nach (finanz-)politischer Wetterlage – mehr oder weniger grosse Brosamen mit den flankierenden Massnahmen.

Von der Adtranz lernen

Mit der geplanten Privatisierung würde der Bund nicht nur ein wichtiges Instrument der Standort- und Wirtschaftsförderung im digitalen Kapitalismus aus der Hand geben. Er macht die Swisscom zugleich zum Spielball internationaler Telekommunikationskonzerne. Was das für die Beschäftigten und den Wirtschaftsstandort heisst, hat die deutsche Adtranz-Konzernleitung mit ihren Schweizer Werken vorgemacht.

Vor derartigen Ausverkäufen im Zug von strategischen Allianzen will sich der Bundesrat mit einem befristeten Vetorecht (mit einer Golden share) absichern. Das bietet politisch aber keinerlei Garantie und ist nur eine Notbremse. Zudem werden in der EU bereits kritische Stimmen gegen Golden-share-Regelungen laut.

Ganz anders eine Technologieoffensive bei der Swisscom: Sie stärkt die Position der Swisscom auch als Allianzpartnerin. Eine Unternehmung mit einer derart starken Position im heimischen Telekommunikationsmarkt, in einem Land mit hohem technologischem Ausstattungsgrad, hoher Kaufkraft und Wertschöpfung, ist immer eine attraktive Partnerin. Im übrigen bewegt sich die Swisscom bereits heute auf dem internationalen Markt. Das zeigt zum Beispiel die Übernahme der deutschen Debitel. Zudem ist durchaus offen, ob Allianzstrategien immer klug und mehr als eine Modeerscheinung sind. Allianzen sind, das zeigen auch die Fluggesellschaften, häufig bloss die Vorstufe zu Fusionen. Auf jeden Fall muss eine Allianz strategie für die Swisscom intelligent sein, das heisst: Sie muss dazu führen, dass der wertmässige Anteil der öffentlichen Hand im Telekommunikationssektor nicht kleiner, sondern grösser wird und das Potenzial zur Wirtschaftsförderungs- und Technologiepolitik der Schweiz nicht ab-, sondern zunimmt.

Das Referendum gegen die vollständige Swisscom-Privatisierung ist so gut wie sicher. Die politischen Chancen für eine Sicherung der Swisscom-Mehrheit stehen gut. Auch die Abstimmung zur Ausgliederung des städtischen Elektrizitätswerks in Zürich (EWZ) in eine AG hat gezeigt: Die Frauen und Männer in der Schweiz haben die Nase voll vom Shareholder-Denken. Sie wollen die guten Unternehmen der öffentlichen Hand nicht privatisieren. Dies auch als Fingerzeig an das Swisscom-Spitzen-Management. Die Linke muss auch weiterdenken. Zusammen mit den Randregionen und den Gewerkschaften wäre eine Volksinitiative für eine technologische Offensive bei der Grundversorgung in der Telekommunikation zu überlegen.

Die Schweiz braucht nicht noch mehr unsozialen Rückschritt, sondern technologischen Fortschritt im Interesse der Lohnabhängigen, aller Regionen und der kleinen und mittleren Unternehmen. Der Bund hat mit der Swisscom-Mehrheit ein wichtiges Instrument dazu (noch) in der Hand.