Durch den Monat mit Mark Pieth (Teil 4): Wie findet man Konten?

Nr. 43 –

WOZ: Seit siebzehn Jahren präsidieren Sie die Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Korruption der OECD. Ihre Gruppe verfasst regelmässig Berichte über die Mitgliedsländer, wobei einige des Öftern schlecht wegkommen. Kamen Sie nie unter Beschuss?
Mark Pieth: Meistens höre ich nur davon. Als Silvio Berlusconi noch italienischer Regierungschef war, wollte er meine Wiederwahl verhindern – das hat er aber nicht geschafft. Mein Vorteil ist, dass ich keine Macht habe und auch keine Macht repräsentiere.

Die Schweiz hat die Antikorruptionskonvention der Uno nicht ratifiziert. Warum macht Bundesrat Christoph Blocher nicht vorwärts?
Vermutlich hat er andere Prioritäten. Die Schweiz erfüllt jedoch bereits sämtliche Bedingungen dieser Konvention, kein weiteres Gesetz müsste angepasst werden. Es gibt also keinen Grund für die Verzögerung. Im Gegenteil, sie muss ratifiziert werden, sonst schadet es dem Ruf des Schweizer Finanzplatzes.

In Ihrem Basel Institute on Governance ist auch das International Centre for Asset Recovery (ICAR) untergebracht, eine Organisation, die sich damit beschäftigt, geklaute Gelder zu finden und den bestohlenen Staaten zurückzugeben. Wie muss man sich das vorstellen?
Die Entwicklungshilfe versucht, Armut und Hunger zu bekämpfen, der Westen gibt jährlich etwa hundert Milliarden Dollar dafür aus. Gleichzeitig fliessen aber riesige Summen von korrupten 
Politikern auf die Konten westlicher Finanzinstitute. Indonesien hatte bis vor kurzem rund dreissig Milliarden Dollar Auslandsschulden, etwa gleich viel wurde in den letzten dreissig, vierzig Jahren unter der Regierung Suharto veruntreut und in den Westen transferiert. Allerdings ist es technisch sehr aufwendig und teuer, solche Fluchtgelder zurückzuholen.

Warum?
Allein die nötigen Dokumente zu finden, ist schwierig. Will man die Gelder aufspüren, ist man oft auf ausländische Detektive oder Anwälte angewiesen, was teuer werden kann, da sie mit Erfolgshonoraren operieren. Bereits existieren Hedgefonds, die sich auf die Auffindung von Fluchtgeldern spezialisiert haben. Sie kaufen den betroffenen Ländern die Fälle ab und geben ihnen – falls sie erfolgreich sind – noch zehn Prozent des aufgetriebenen Geldes ab.

Klingt nach einem guten Geschäft für Geier.
Leider braucht man sie manchmal ... wenn die Länder selber kein Geld haben, müssen sie jemanden vorspannen. Unser Institut bildet nun unter anderem vor Ort Leute aus, die danach in der Lage sein sollten, selber diese Gelder zu finden.

Juristen?
Vor allem Polizisten, aber auch spezialisierte Buchhalter und Staatsanwälte.

Wie lernt man, schmutzige Konten zu finden?
Eines unserer Teams bietet ein Training für Polizisten an. Sie erhalten eine Diskette mit Bankdokumenten, lernen, sie zu lesen und die Beweise zu finden, die sie brauchen, um den Fall für den Staatsanwalt vorzubereiten. Ein zweites Team beschäftigt sich mit Rechtshilfe und konkreter Fallberatung, denn wenn die Rechtshilfegesuche nicht korrekt gestellt werden, scheitert die Rückführung der Potentatengelder. In diesem Jahr bilden wir Leute in Tansania, Brasilien und Indonesien aus, demnächst kommt Bangladesch hinzu.

Wie finanziert sich Ihr Ausbildungszentrum?
Die Direktion für Entwicklung und 
Zusammenarbeit und das Fürstentum Liechtenstein tragen ganz wesentlich zum Startkapital bei. Die britische Regierung hat uns einen hochkarätigen Staatsanwalt zur Verfügung gestellt, 
der nun für drei Jahre an unserem Institut arbeitet.

Noch kurz zu den bevorstehenden Bundesratswahlen. Kann sich die Schweiz einen Justizminister Blocher leisten?
Zu Blocher als Person möchte ich mich nicht äussern, da täte man ihm zu viel Ehre an. Der Frage, welche Wirkung Blocher und seine Partei entfalten, kann man sich allerdings nicht entziehen. Gerade die Verwahrungs- und die Minarettinitiative zeigen, dass dies ein Fehler wäre ...

Hätte die Verwahrungsinitiative für ungültig erklärt werden müssen? Darf die Minarettinitiative zur Abstimmung kommen?
Soll man die Demokratie stärker gewichten als den Rechtsstaat? Grundsätzlich hat es einen gewissen Charme, dass man radikale Vorlagen zur Abstimmung bringen kann wie zum Beispiel die GSoA-Initiative. Wenn man aber weiss, dass eine Initiative gegen fundamentale Grundsätze des Völkerrechts verstösst, müsste sie für ungültig erklärt werden. Deshalb hätte die 
Verwahrungsinitiative nie dem Volk vorgelegt werden dürfen, dasselbe 
würde für die Minarettinitiative 
gelten.

Mark Pieth (54) ist Strafrechtsprofessor in Basel. Seit 1990 präsidiert er die OECD-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Korruption, vor zehn Jahren trat 
die OECD-Antikorruptionskonvention 
in Kraft, die Pieth massgeblich mitgeprägt hat, zudem ist er Stiftungsratspräsident des Basel Institute on 
Governance.