Durch den Monat mit Mark Pieth (Teil 3): Helfen Sie Waffenhändlern?
WOZ: Herr Pieth, Sie beschäftigen sich mit organisierter Kriminalität und arbeiten auch mit Waffenhändlern zusammen. Wird man da nicht depressiv oder paranoid?
Mark Pieth: Nein. Was die Waffenhändler machen, finde ich schrecklich, aber letztlich wollen die etwas von mir, und ich brauche sie auch.
Was genau wollen sie von Ihnen?
Da muss ich ein bisschen ausholen. Vor ein paar Jahren habe ich entschieden, mich weniger auf die staatliche Strafverfolgung zu konzentrieren, weil das unbefriedigend war. Da geht es nur
darum, einzelne vor Gericht zu bringen, obwohl die abschreckende Wirkung dieser Strafen fraglich ist. Warum also strafen, wenn es andere Wege gibt, die Beteiligten zu rechtmässigem Verhalten zu motivieren? Das gilt auch für Unternehmenskriminalität.
Sie wollen also aus Waffenhändlern bessere Menschen machen?
(Lacht.) Begonnen haben wir Mitte der neunziger Jahre mit den Banken.
Damals ging es darum, die wichtigsten Banken an einen Tisch zu bringen, um mit ihnen gemeinsam Standards im
Bereich Geldwäscherei zu erarbeiten. Das haben wir dann auch geschafft: Es entstand die Wolfsberg-Gruppe, ein Zusammenschluss von zwölf Banken, die zusammen sechzig Prozent des Weltmarktes abdecken und stark genug sind, die ausgearbeiteten Richtlinien umzusetzen. Die Idee dabei ist, Regeln aufzustellen, die innerhalb der Banken präventiv wirken.
Hat das geklappt?
Die Wolfsberg-Gruppe funktioniert bis heute gut. Wir hatten aber noch zwei weitere Industriegruppen initiiert, die nicht so gut liefen. Die eine betraf den Bereich der Kraftwerksindustrie, sieben grosse Konzerne wie Siemens oder GE, also General Electric, waren dabei. Der gemeinsame Text war schon geschrieben, da bekamen sie Krach. Die einen sagten zum Beispiel, wenn sie mit den anderen unterschreiben würden, schade dies ihrem Ruf. In diesem Bereich gibt es zu wenig Wettbewerb, oft gibt es für einen konkreten Auftrag nur noch zwei Konkurrenten, die sich bis aufs Blut bekämpfen. Da ist es fast unmöglich, gemeinsam Richtlinien gegen
Korruption zu erarbeiten.
Und die zweite Gruppe waren die Waffenproduzenten.
Ja, unter anderem waren riesige Konzerne wie British Aero Space dabei, die Panzer oder Kampfflieger herstellen.
Die haben kaum mitgemacht, um Ihnen einen Gefallen zu tun ...
Wohl kaum, aber für solche Unternehmen ist Korruption ein reales Problem. Waffenproduzenten bezahlen zum Teil Milliarden, um ein Geschäft zu bekommen. Man darf sich nichts vormachen, Unternehmen beteiligen sich nur an solchen Prozessen, wenn sie es für ökonomisch sinnvoll halten.
Sie verhelfen also den Waffenhändlern zu höheren Gewinnen?
Wie es den Firmen geht, ist mir egal. Waffenhandel ist jedoch häufig mit ganz erheblicher Korruption verbunden. Da haben wir also gleich zwei
massive Probleme. Über die Zulässigkeit von Waffenhandel können wir nicht diskutieren, die Korruption können wir hingegen angehen. Diese
Industriegruppen waren allerdings nur sehr unterschiedlich erfolgreich.
Ihr Institut betreibt auch noch Compliance Monitoring. Was ist das?
Es geht darum, Firmen, die mit der Justiz in Konflikt gerieten – beispielsweise wegen Korruption –, wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Solche Firmen werden gelegentlich von öffentlichen Aufträgen gesperrt. Teil der Sanktion kann es sein, dass ihnen ein Monitor zur Seite gestellt wird. Das Unternehmen bekommt erst wieder Aufträge, wenn der Monitor grünes Licht gibt.
Wie bei einem gewöhnlichen Delinquenten, der eine Therapie absolvieren muss?
In etwa. Wir sind Bewährungshelfer für Unternehmen.
Gibt es solche Fälle in der Schweiz?
Ja, aber da kann ich keine Namen nennen. Es ist auch eine heikle Aufgabe, da man für zwei Auftraggeber arbeitet. Für die Instanz, die das Unternehmen gesperrt hat, aber auch für das fehlbare Unternehmen. Unser Institut hat schon Aufträge nicht erhalten, weil wir zu kritisch waren.
Das Unternehmen wählt sich den Bewährungshelfer selber aus?
Es macht einen Vorschlag. Es gibt strenge und weniger strenge Monitoren. Vor allem in Europa, wo dieses Vorgehen noch relativ neu ist, akzeptieren die Instanzen gelegentlich auch weniger strenge Bewährungshelfer.
Sie sind permanent unterwegs. Unsere Gespräche finden von Ihrer Seite her immer irgendwo zwischen Basel, Amsterdam, Paris oder London statt. Wie halten Sie das aus?
Ich versuche meine Reisen möglichst auf Europa zu beschränken, das ist
weniger das Problem. Schwieriger ist, dass ich an diesen Orten immer noch Referate halten muss. Unter der Woche habe ich kaum Zeit, sie zu schreiben. Also tu ich das am Wochenende, da gehe ich dann oft in mein Häuschen im Tessin, sitze unter der Sonne am Steintisch und schreibe bei einem Glas Wein meine Vorträge.
Mark Pieth (54) ist Strafrechtsprofessor in Basel. Er arbeitete massgeblich an der Schweizer Gesetzgebung zur Geldwäscherei mit, präsidiert seit 1990 die OECD-Arbeitsgruppe zur Bekämpfung von Korruption und ist Mitbegründer des Basel Institute on Governance.