Durch den Monat mit Maya Itin (Teil 2): Was muss man lesen?

Nr. 45 –

WOZ: Welche Bücher empfehlen 
Sie uns diesen Herbst?
Maya Itin: Es gibt viele tolle Neuerscheinungen, vor allem von gestandenen, bekannten Schriftstellerinnen und Schriftstellern, bei denen man 
gespannt auf das neuste Werk gewartet hat. Nicht verpassen sollte man «Es klopft» von Franz Hohler, die Geschichte eines Mannes, der gezwungen wird, sich durch das Auftauchen einer jungen Frau mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Auch spannend 
ist «Die Mittagsfrau» von Julia Franck, 
ein Generationenroman aus dem Deutschland des 20. Jahrhunderts. 
Ich finde es beeindruckend, wie 
Julia Franck, die ja noch eine junge Schriftstellerin ist, es schafft, einem 
diese Zeit glaubwürdig näher zu bringen.

Vielleicht noch ein dritter Tipp?
Ein sehr wichtiges Buch in diesem Herbst ist sicher auch «Vrenelis Gärtli» von Tim Krohn. Eine mythische Alpensage, bei der man nie so genau weiss, was ist jetzt wirklich und was nicht. Das Spezielle an diesem Buch ist, wie Krohn die Mundart einbezieht. Das halbe Buch ist in Glarnerisch, und hinten hat es ein Glossar, wo man die Ausdrücke nachschlagen kann.

Müssen Sie die wichtigen Neuerscheinungen alle lesen?
Ich fühle mich schon unter Druck, dass ich die wichtigsten Bücher einer Saison gelesen habe. Aber alle schafft man einfach nicht. Wir schauen im Team, dass wir das ein wenig geschickt aufteilen. Zum Bücherlesen muss ich mich grundsätzlich nicht zwingen, eingeschränkt bin ich ein bisschen bei der Auswahl, ich lese halt eher Neuerscheinungen als ältere Bücher, die mich schon lange «gluschten» würden.

Können Sie diese Bücher denn während der Arbeitszeit lesen?
Nein, nur in der Freizeit.

Also unbezahlt?
Ja natürlich, das ist der Hobbyanteil meines Berufs. Bezahlte Leseferien 
wären ein Traum von mir ...

Welches Buch liegt denn aktuell auf Ihrem Nachttisch?
Im Moment grad ein Buch eines meiner liebsten Schriftsteller: Lars Saabye Christensen. Ich lese sein neustes Buch «Maskeblomstfamilien» auf Norwegisch, es ist diesen Herbst unter dem 
Titel «Nachtschatten» auf Deutsch 
erschienen.

Sie lesen Bücher auf Norwegisch? Muss man das auch können als Buchhändlerin?
(Lacht) Nein, das hat mit meiner Biografie zu tun. Norwegen hat mich immer fasziniert. Nach der Lehre in der Buchhandlung Jäggi in Basel machte ich ein einjähriges Praktikum in Oslo, bei Norli, einer der grössten Buchhandelsketten in Norwegen. Dort lernte ich Norwegisch.

Haben Sie ein Lieblingsbuch?
Eine schwierige Frage. Es gibt so viele schöne Bücher. Ich bin jetzt auch nicht jemand, die ein Buch mehrmals liest. Ich mag einfach nordische Autorinnen und Autoren sehr gern: Astrid Lindgren begleitete mich durch meine ganze Kindheit, an Jostein Gaarder schätze ich sehr, dass er mich zum Nachdenken brachte, und an Andrej Kurkow oder Arto Paasilinna den schrägen, fast 
makabren Humor.

Waren Sie schon als Kind eine 
Leseratte?
Ja, schon. Ich las als Kind viele Pferdebücher und alles von Enid Blyton. Ich erinnere mich, wie unser Vater uns zum Einschlafen aus «Blitz, der schwarze Hengst» vorgelesen hat, aber meistens ist er dann vor uns eingeschlafen.

War Ihre Liebe zu Büchern die Hauptmotivation, eine Lehre als Buchhändlerin zu machen?
Ja, schon. Für mich sind viele Buchhandlungen auch gemütliche Orte, um sich aufzuhalten, und ich konnte mir gut vorstellen, dort zu arbeiten. Auch das Ordnen und Systematisieren von Büchern hat mir gefallen. Als ich zwölf war, habe ich mir die Jugendbücher meiner Mutter vorgenommen, diese alphabetisiert und einen Katalog erstellt. Ich fand das super.

Sie beschäftigen sich intensiv mit Büchern: Hat es Sie noch nie gereizt, selbst eines zu schreiben?
Nein, ich finde, es gibt genügend Menschen auf der ganzen Welt, die das bereits sehr gut machen, und ich verbringe meine Zeit lieber damit, diese Werke zu lesen.

Maya Itin (27) ist Genossenschafterin 
des Buchladens Rapunzel in Liestal.