Mano Negra: Chronik einer Reise
Mit einem ausrangierten Zug durch die kolumbianischen Provinzen zu fahren - eigentlich ein Himmelfahrtskommando. Nicht nur weil oft ein Waggon aus den Gleisen springt, sondern weil Kolumbien eines der gefährlichsten Länder auf Erden ist. Siebzig FranzösInnen, darunter die MusikerInnen von Mano Negra (mit ihrem Sänger Manu Chao) und die French Lovers, wagten diesen Trip vor fünfzehn Jahren. Auf militärischen Schutz hatten sie verzichtet und wurden stattdessen von kolumbianischen Bahnarbeitern begleitet. Gratisvorstellungen, so das Argument der französischen Gäste, seien ausreichende Garantie für die eigene Sicherheit. Sie behielten Recht, die sechswöchige Fahrt blieb friedlich.
Ramón Chao, Vater des Mano-Negra-Sängers, begleitete den Zug als Chronist. Seine Aufzeichnungen sind wie die Reise selbst: Der Anfang ist befremdlich. In den Waggons gibt es weder fliessend Wasser noch Scheiben, nachts ist es oft bitterkalt, und die Moskitos stechen selbst durch Jeans. Chao ist das Leben der Ärmsten nicht gewohnt. Hinderlich war das offenbar nicht. Er schreibt Berichte aus einem Land, das aus den Fugen geraten ist, und integriert beissende Sozialkritik. In diesen Teilen läuft Chao zu Bestform auf. Er fühlt sich aber auch verpflichtet, belanglose Streitigkeiten und Liebesaffären festzuhalten, und dabei übersieht er fast die Tücken der Reise. Kurz bevor der Zug ein besonders gefährliches Guerillagebiet durchquerte, wollten etliche KünstlerInnen aussteigen. Die Bahnarbeiter konnten sie aber zum Weitermachen überreden. Denn für die KolumbianerInnen war der Zug ein Friedenssymbol. «Dieser Wunsch, zu flüchten, der überall zu spüren ist, ist erschreckend», so Chao.
Ramón Chao: Ein Zug aus Eis und Feuer. Mit Mano Negra durch Kolumbien. Aus dem Französischen von Andrea Scheunert. Edition Nautilus. Hamburg 2008. 220 Seiten. Fr. 27.50