Durch den Monat mit Franz Stucki (Teil 3): Aggressivere Bienen?

Nr. 34 –

Imker Franz Stucki: «Wo gibt es im Flachland noch Blumen? Ein paar im Garten, ein paar an den Obstbäumen – und dann ist Schluss.»

WOZ: Letzte Woche haben wir über Ihre SVP-Mitgliedschaft gesprochen. Schlägt in Ihnen eigentlich ein grünes Herz, aus Sorge um die Bienen?
Franz Stucki: Ja, unbedingt! Auch wenn ich Auto fahre – pro Jahr zirka 4000 Kilometer, also praktisch nichts. Und das auch nur für die Arbeit. Ausfahren tun wir vielleicht zweimal im Jahr. Ich fahre aber nicht wegen der Angst um die Umwelt so wenig Auto, sondern weil es mir nichts sagt.

Das ist nicht, was man von einem pensionierten Garagisten erwartet ...
Vielleicht. (Lacht.) Vermutlich wären wir mehr rumgefahren, wenn wir nicht schon immer die Bienen gehabt hätten.

Wie aufwendig sind Bienen eigentlich?
Schon sehr. Wir verbringen fast jedes Wochenende viele Stunden im Bienenhaus. Früher, als wir noch mehr Völker hatten, waren wir sogar das ganze Wochenende da: Am Samstagnachmittag sind wir aus dem Haus gerannt, erst am Sonntagabend waren wir wieder richtig zu Hause. Das war unsere Freizeit.

Und dann muss man ja auch permanent Bienenstiche verarzten – oder stechen Ihre nicht?
Doch doch! Ungefähr 10 000 Stiche werden es bei mir bisher schon gewesen sein. Im Sommer 1995, das war ein guter Bienensommer mit viel Honig, nahmen mich pro Wochenende immer so um die 300 bis 400. Da habe ich einen Schleier gekauft.

Zuvor hatten Sie keinen?
Nein, das war früher nicht nötig. Mein Vater und ich arbeiteten immer mit bluttem Oberkörper, denn es wird ja sehr heiss im Bienenhaus. Da stachen uns an einem Wochenende vielleicht zehn Bienen, mehr nicht. Heute kann ich aber nicht mehr ohne Schutzanzug an die Arbeit.

Die Bienen sind aggressiver geworden?
Ja, viel aggressiver! Das hat mit der Verbasterung zu tun: Man fing ja an, aus England, Slowenien, Russland und den USA Bienen zu importieren. Die haben sich dann mit unserer, der Landrassenbiene, gekreuzt. Diese fremden Bienen seien fleissiger, heisst es. Einmal verbastert ist kein Problem, aber zweimal – uiuiui. Das gibt dann die Aggressiven. Im Kanton Glarus haben sie die Einfuhr von fremden Bienen verboten.

Es gibt sogar einen Verband, dessen Ziel der Erhalt der Landrassenbiene ist. Was ist denn so speziell an dieser Rasse?
Die Landrassenbiene gibt es hierzulande schon seit der letzten Eiszeit. Sie hat sich optimal an unser Klima angepasst und ist eben nicht aggressiv.

Und wovon ernähren sich diese urschweizerischen Bienen?
Sie holen einfach da, wo es etwas zu holen gibt. Aber ein Bienenhaus am Waldrand bringt mehr, weil der Wald viel ertragreicher ist.

Das wäre dann der Waldhonig. Und dann gibts doch auch den Blütenhonig ...
Ja, aber den gibt es fast nur noch von Bienen, die in höheren Breitengraden leben, wo es Alpenrosen und viele andere Blumen hat.

Weshalb machen unsere Flachlandbienen keinen Blütenhonig mehr?
Weil es nicht mehr genug Blüten gibt. Wo gibt es hier noch Blumen? Ein paar im Garten, ein paar an den Obstbäumen, die im Frühling blühen – und dann ist Schluss. Es wird ja alles zu Tode gespritzt. Weil die Blumen keinen Ertrag bringen.

Das ist aber nicht der Hauptgrund, weshalb die Landrassenbiene vom Aussterben bedroht ist, oder etwa doch?
Nein, der Hauptgrund sind eben all die Importe und Verbasterungen. Mir scheint, es gebe heute kaum mehr reine Landrassenbienen – ausser vielleicht in abgelegenen Tälern in den Bergen, da haben wir kürzlich auch welche gesehen. Es gibt auch Züchter, die sie noch anbieten. Aber da weiss man nicht, wie viel manipuliert wurde.

Wenn Bienen durch gezielte Kreuzungen effizienter arbeiten, müsste das doch eigentlich im Interesse des Imkers sein? Der freut sich doch, wenn er einen guten Honigertrag hat.
Ja, absolut. Aber hochgezüchtete Bienen können auch nicht mehr Honig produzieren, wenn es keine Blumen gibt.

Kann ein Laie eigentlich von blossem Auge die Landrassenbiene von einer fremden Biene unterscheiden?
Ja, von den meisten, denn unsere Landrassenbienen sind ganz dunkel.

Bei den Bienen sind die Schweizer also Schwarze.
Und das schon seit Jahrmillionen.

Der pensionierte Garagist Franz Stucki (68) lebt in Roggwil BE und sorgt für zwanzig Bienenvölker. Seine Frau und seine Schwester helfen ihm dabei.