Durch den Monat mit Franz Stucki (Teil 4): Was machen Bienen, wenn sie lauern?

Nr. 35 –

Franz Stucki: «Viele neue Imker hören schnell wieder auf – weil sie merken, dass man nicht einfach den Hahn aufdrehen und Honig rauslassen kann.»

WOZ: Der Sommer ist langsam vorbei. Was macht ein Imker zu dieser Jahreszeit?
Franz Stucki: Wir haben abgeräumt und behandeln sie jetzt gegen die Varroa-Milbe.

Wie räumt man Bienen ab?
Nicht die Bienen selber. Abräumen 
heisst: Man nimmt die oberen Waben heraus, wo die Bienen jenen Honig 
lagern, den sie sich für den Winter aufsparen.

Und diese Reserve nimmt man ihnen weg?
Ja. Dafür gibt man ihnen dann Zuckerwasser, «Einfüttern» nennt sich das. Zuckerwasser ist eine sichere Nahrung, denn Honig kann hart werden. Wenn die Bienen ihn dann nicht mehr lösen können, gehen sie zugrunde.

Wie viel Honig haben Ihre Bienen dieses Jahr zusammengebracht?
Ungefähr acht Kilogramm pro Volk.

Bei Ihren zwanzig Völkern gibt das rund 160 Kilogramm – und nicht mehr als 3000 Franken Lohn für das ganze Jahr, oder?
Korrekt. Man sagt ja: Imkern ist ein Hobby, das knapp kostendeckend ist. Aber das auch nur, wenn die Bienen genügend Honig produzieren, wenn also das Wetter gut ist, es genug Nahrung zu holen gibt und sie nicht wegen Giften frühzeitig und in Massen sterben.

Diese Woche musste eine Imkerin in ein künstliches Koma versetzt werden, weil sie von hundert Bienen gestochen wurde.
Das gibts ab und zu. Auch, dass man nicht weiss, weshalb die Bienen blöd tun.

Bei dieser Imkerin gab es die Vermutung, dass die Bienen zu wenig Nahrung hatten und deshalb aggressiv wurden.
Das kann gut sein.

Werden die Bienen vielleicht auch komisch, weil sie zu wenig Arbeit haben?
Wenn es nichts zu holen gibt, lauern sie einfach rum, wie wir dem sagen. Deshalb liess mein Bruder nebenan eine Naturwiese mit ganz vielen Blumen wachsen. Da hat es den ganzen Tag Bienen drin. Das gibt dann natürlich keinen Ertrag, weil die Fläche viel zu klein ist, aber die Bienen haben etwas zu tun.

Und was tun die Bienen, wenn sie herumlauern?
Im Frühling kommt ihnen manchmal nichts Besseres in den Sinn, als Nachkommen zu schaffen. Dann werden einzelne Larven mit Gelée royale zu Königinnen herangefüttert, die Konsequenz ist, dass es mehr Schwärme gibt. Vielleicht machen sie das auch, um ihr Territorium erweitern zu können, also mehr Nahrung zu finden.

Seit wann gibt es eigentlich zu wenig Nahrung in der Natur?
Das ist schwierig zu datieren, ich würde aber sagen, dass es in den letzten zehn Jahren extremer geworden ist. Früher hatten die Bauern viel mehr Wiesen mit Heu- und anderen Blumen. Aber diese natürlich gewachsenen Wiesen enthielten weniger Eiweiss als jene, die sie jetzt zwecks Nahrung für ihre Kühe anpflanzen.

Also sind die Kühe schuld?
Ich will den Bauern nicht den Vorwurf machen, sie seien als Einzige für die miserablen Bedingungen der Bienen verantwortlich. Sie stehen unter Druck, produzieren zu müssen: Der Konsument will Fleisch. Im Vergleich zu den Bauern habens wir Imker gut, wir leben ja nicht davon. Aber schade ist es schon, dass die Bauern so überhaupt nicht an die Bienen denken.

Im Kanton Bern wollen PolitikerInnen jetzt erreichen, dass sich wenigstens die Bedingungen für die ImkerInnen verbessern, auch weil der Nachwuchs fehlt. Was sollte Ihrer Meinung nach konkret getan werden?
Gewisse finanzielle Anreize wären sicher gut; dass wenigstens die Kosten für die Behandlung von Krankheiten gedeckt wären. Es hat ja immer viele, die neu als Imker anfangen. Aber nach ein bis zwei Jahren hören sie wieder auf, weil sie merken, dass man nicht einfach den Hahn aufdrehen und Honig rauslassen kann. Trotzdem müsste man vermehrt Werbung fürs Beielen machen, den Leuten sagen, dass es trotz all des Aufwandes und der Widrigkeiten etwas Schönes ist.

Und etwas Morbides, jedenfalls in jüngerer Zeit ...
Ja. Auch wir sagen uns: Wenn wir nochmals grosse Probleme kriegen, hören wir auf. Wir werden langsam alt, und so ein Bienensterben wie das vom vergangenen Jahr, das steckt man nicht einfach weg.

Immerhin: Sie sind der Sache nachgegangen und behielten am Schluss recht mit Ihrer Vermutung, dass nicht einfach die Varroa-Milbe Schuld sei, sondern in Ihrem Fall die Pestizide.
Meines Wissens waren wir sogar die Einzigen, die ihre toten Bienen überhaupt im Labor überprüfen liessen. Als es kurz darauf von offizieller Seite hiess, Pestizide seien nicht Schuld, habe ich protestiert.

Und wie wurde darauf reagiert?
Es hiess: Ah, Entschuldigung, Sie haben wir vergessen.

Seltsam.
Ja. Es wirkt ganz so, als dürften die Gifte einfach nicht schuld sein.

Franz Stucki (68) lebt mit seiner Frau, 
die ihn beim Imkern unterstützt, in Roggwil BE. Letztes Jahr mussten sie mitansehen, wie Hunderte ihrer Bienen verendeten.