100 Wörter: Wall Street

Nr. 42 –

Der Kleinsparer Sepp Hangab ging auf die Sparkasse, um zu sehen, wie es denn seinem Anlagefonds ergangen sei während der üblen Finanzkrise, von welcher er nichts mitbekommen hatte. Er hatte im Bett gelegen und gehofft, dass der Sommer zurückkäme. Das war keine volkswirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit, und darum wich sein Entsetzen, dass sich sein Erspartes in geschuldete Depotgebühren verwandelt hatte, bald einem nagenden Schuldbewusstsein. «Hätte ich doch das Heu ins Trockene gebracht, statt Trübsal geblasen», so dachte er, «dann hätte es die Wall Street allwäg noch zwanzig Minuten länger gegeben.» Wie so mancher Kleinsparer hatte Sepp von der Weltwirtschaft keine Ahnung.


Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held») und lebt in Zürich. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen.