Espenmoos-Prozesse: Solidarisch haftbar
Rasendieb soll 130 000 Franken zahlen.
Als vor einem Jahr der FC St. Gallen nach dem verlorenen Barragespiel in die Challenge League abstieg, herrschte Empörung auf allen Seiten: Der Verein und die Schweizer Fussballliga SFL empörten sich über Gruppen von Fans, welche nach dem Abpfiff das Spielfeld stürmten und sich dort – wie auch ausserhalb des Stadions – mit der Polizei stundenlange Schlachten lieferten. Auf der anderen Seite empörten sich Fans und StadtparlamentarierInnen über das Vorgehen der Polizei, welche noch vor Ende des Spiels vor der Fankurve des FC St. Gallen demonstrativ aufmarschiert war und damit, so die KritikerInnen, eine Eskalation eventuell erst provoziert hätte.
Kein Beweis
Letzte Woche fand vor dem St. Galler Kreisgericht nun der erste Prozess gegen zwei der vermeintlichen Übeltäter statt: So hart wie die Strafen in den zwei Fällen ausfielen, entsteht der Eindruck, die Empörung habe sich auch ein Jahr nach den Vorkommnissen nicht verflüchtigt: hohe bedingte Geldbussen in beiden Fällen – 30 000 beziehungsweise 33 000 Franken – sowie Verfahrenskosten und Haftung für entstandene Sachschäden. Beim ersten Angeklagten fiel der Schadensersatz noch verhältnismässig gering aus, da er nur an den Ausschreitungen ausserhalb des Stadions beteiligt gewesen sei.
Im Fall des zweiten Angeklagten, der vor Gericht betonte, er habe das Spielfeld nur betreten, um ein Stück Rasen zu ergattern, hat das Gericht jedoch Zivilforderungen in Höhe von insgesamt 130000 Franken anerkannt. Interessant ist dabei, dass der Angeklagte mangels brauchbarer Foto- und Videobeweise vom Anklagepunkt der Sachbeschädigung (ausser in zwei kleineren Fällen) zwar freigesprochen wurde, als Mitglied einer Gruppe, welche für diese Sachbeschädigungen verantwortlich gewesen sein soll, allerdings solidarisch haftbar gemacht wird. Bei weiteren Verurteilungen – insgesamt stehen noch neun Prozesse gegen mutmassliche Randalierer aus – würden die Forderungen aufgeteilt.
«Das ist ein Urteil mit weitreichenden Folgen», sagt die Anwältin des Verurteilten, Manuela Schiller. «Es ist üblich, dass Mittäter für die Schäden ihrer Taten solidarisch haften. Mein Mandant haftet nun aber für Sachschäden, welche andere begangen haben. Er selber wurde dafür strafrechtlich nicht verurteilt. Für das Gericht genügte es, dass er ebenfalls auf dem Spielfeld anwesend war und damit wegen Landfriedensbruchs und Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte verurteilt werden konnte.»
«Rechtsstaatlich problematisch»
Laut Schiller könnte dies weitreichende Folgen haben: «Eine solche Auslegung ist rechtsstaatlich problematisch und könnte insbesondere die Organisation politischer Kundgebungen wie etwa am 1. Mai faktisch verunmöglichen.» Ob ihr Mandant das Urteil weiterziehen will, kann Fananwältin Schiller noch nicht beurteilen. Erst müsse man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Und ob es sich ihr Mandant finanziell leisten könne, bis vor Bundesgericht zu ziehen und auch dort eventuell zu verlieren, stehe auch noch auf einem anderen Blatt.