Der Weg nach Wigan Pier: Reporter Orwell

Nr. 48 –

«Unsere Zivilisation beruht – mit Verlaub, Herr Chesterton – auf Kohle. (...) Die Maschinen, die für uns lebensnotwendig sind, und die Maschinen, die Maschinen herstellen, hängen direkt oder indirekt von Kohle ab. Im Kreislauf der westlichen Welt nimmt der Kumpel die zweite Stelle ein, gleich hinter dem Mann, der die Erde pflügt. Es ist eine Art dreckige Karyatide, auf deren Schultern fast all das getragen wird, was nicht dreckig ist.»

So beginnt die Sozialreportage «Der Weg nach Wigan Pier» von George Orwell. Als Sohn eines Kolonialbeamten 1903 in Britisch-Indien geboren, war sich der Autor, der mit seinem Roman «1984» weltberühmt wurde, seiner gesellschaftlichen Vorteile bewusst: 1936 geht er in die Industriestädte Nordenglands und steigt in die Gruben hinunter, um zu beobachten und zu beschreiben, unter welch katastrophalen Umständen die Bergleute arbeiten und wohnen. Indem er auch erzählt, wie sich der Aufenthalt in der «Hölle» auf ihn selbst auswirkt, vermittelt er dem heutigen Leser in der wohlgeheizten Mittelstandswohnung eine Ahnung vom Ausmass der Ausbeutung, von der er auch heute noch täglich profitiert. Aufklärender Journalismus, wie er bitter nötig bleibt.

George Orwell: Der Weg nach Wigan Pier. Aus dem Englischen von Manfred Papst. Diogenes. Zürich 1981. 240 Seiten. Fr. 19.90