Fritz Schwarz (1887–1958): Geld muss fliessen

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Der Berner Politiker war ein Verfechter der Freiwirtschaftslehre. Sein «Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker» wird nun wieder aufgelegt. Ein Vorabdruck des Vorworts.


Zinswirtschaft und Bodenspekulation – das waren für Fritz Schwarz wichtige Gründe für die Wirtschaftskrisen der jüngeren Geschichte. Würde er noch leben, hätte er diese Probleme wohl auch – mit Bezug auf Hedgefonds und Immobilienblasen – für unsere Gegenwart diagnostiziert. Fritz Schwarz kritisiert in seinem neu aufgelegten Buch, dass Wirtschaftsakteure mit Boden und Kapital spekulieren und Geld verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Es wäre ihm wohl ein Leichtes gewesen, nahtlos ein Kapitel anzufügen und zu beschreiben, wie die kapitalistische Markt- und Misswirtschaft zur jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise führen musste.

Über seine schonungslose Diagnose hinaus schlug der eigenwillige Fritz Schwarz auch ungewöhnliche wirtschaftliche Veränderungen vor. In der Tradition der «Freiwirtschaft» von Silvio Gesell plädierte er dafür, Regeln einzuführen, die Zins- und Bodenspekulationen verhindern und den ungebrochenen Geldfluss garantieren. Geld dürfe nicht gehortet werden, es müsse vielmehr immer im Umlauf bleiben. Dazu brauche es quasi ein Verfallsdatum für Geld. So wäre immer genügend für alle da. Und es bräuchte keine Kreditgebenden, die mit Zinsen Wucher betreiben können, was für Fritz Schwarz ohnehin ein Pleonasmus war: Zins zu nehmen, bedeutete für ihn per se Wucher. Auch mit Grundstücken dürfe nicht spekuliert werden. Der Boden gehöre der Allgemeinheit. Wer ihn für private Zwecke nutzen wolle, müsse die Gebühren an das Kollektiv entrichten.

Die freiwirtschaftliche Perspektive prägt auch das neu aufgelegte Buch. Es beleuchtet Episoden der Ideengeschichte des Geldes und der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Geschichte führt von der biblischen Zeit über den Goldrausch bis hin zum Ersten Weltkrieg. Fritz Schwarz versucht, mit vielen Beispielen und Argumenten die Richtigkeit der freiwirtschaftlichen Lehre zu belegen. Diese Idee ist weder liberal im klassisch kapitalistischen Sinne noch mit planwirtschaftlichen Konzepten vereinbar. Schwarz haderte mit beiden Positionen. Er tat dies auch als Politiker im Berner Parlament, wo Schwarz den Schweizer Freiwirtschaftsbund vertrat – und zwar überaus engagiert, aber mit schwerem Stand. Besonders tragisch war für ihn, dass er mit seinen Ideen bei der SP kaum Gehör fand.

Wie Blut in den Adern

Fritz Schwarz trat schon als junger Sekundarlehrer hoffnungsvoll der SP bei. Er versuchte auch, seine von Freiwirtschafter Silvio Gesell (vgl. weiter unten) inspirierten geld- und bodentheoretischen Überlegungen im «Volksrecht» zu publizieren. Aber Ernst Nobs, der verantwortliche Redaktor der Zürcher SP-Zeitung und spätere Bundesrat, lehnte die Artikel ab. Das verletzte Fritz Schwarz sehr. Auch weil Nobs sein Mitschüler am Berner Oberseminar gewesen war.

Der Widerspruch zwischen SP und Freiwirtschaft vertiefte sich während der dreissiger Jahre weiter. Die Krise bewog die Sozialdemokratische Partei, die von den kommunistischen Parteien favorisierten planwirtschaftlichen Konzepte wieder stärker zu betonen, die Schwarz vehement ablehnte. Er zog durchs Land und prangerte den Kapitalismus vor allem dafür an, viel Geld zu horten, um so höhere Zinsen zu erzwingen. Schwarz richtete seine harsche Kritik auch an den Bundesrat. Er warf ihm vor, die Deflation (Wertsteigerung des Geldes) zu forcieren und so das Horten des Geldes zu unterstützen. Schwarz schlug seinerseits vor, von der bisherigen Goldparität abzurücken und den Schweizer Franken abzuwerten, damit das Geld in der Volkswirtschaft zirkuliere wie Blut in den Adern des menschlichen Körpers. Solange die Kapitalisten das Geld in den Tresoren einsperrten, könne die Volkswirtschaft nicht gesunden. Mit seiner anschaulichen und beharrlichen Argumentation gewann er zwischenzeitlich eine beträchtliche Anhängerschaft, die sich für die Idee der Freiwirtschaft begeisterte. Das missfiel sowohl den Bürgerlichen als auch den Linken. Sie reagierten, indem sie Schwarz isolierten, der sich aber weiterhin sozial engagierte und sich für seine Ideen einsetzte.

Ein Grund für das Herzblut, das Schwarz seiner Sache widmete, liegt wohl in der prägenden Erfahrung seiner Kindheit. Während der Wirtschaftskrise Ende des 19. Jahrhunderts musste Fritz Schwarz als jüngstes Kind einer Grossfamilie öfter einen Teil des Geldes, das die Familie sich in der Landwirtschaft mühsam erarbeitete, nach Bern zum Gläubiger bringen, da sein Vater einen in Konkurs gegangenen Bauernhof übernommen hatte. Fritz Schwarz empfand das als ungerecht: Wie konnte es sein, dass jemand Geld anderer Leute für sich in Anspruch nehmen durfte, ohne dafür arbeiten zu müssen? Diese Frage veranlasste ihn dazu, sich später in die hohe Wirtschaftspolitik einzumischen. In seinen Jugenderinnerungen schreibt er: «Die Einsicht, dass meine Jugend unter Krise und Zins gelitten hat, dass diese wirtschaftlichen Zustände meine Jugend verdüstert und mir sogar schönes Wetter zum Schrecken gemacht haben, hat mich dazu geführt, mit zwanzig Jahren Sozialist, später Freiwirtschafter und stets erbitterter Gegner der Krisen- und Zinswirtschaft zu werden.»

Öffnung und Abschottung

Schwarz hatte seine Überzeugung – und er hatte auch eine harte Gegnerschaft. Das machte ihm zu schaffen, wie er in seinem Rückblick festhält. Aber so verbittert, wie er sich selbst – vielleicht etwas kokettierend – darstellt, war er wohl nicht. Einzelne Kollegen vom Berner Parlament attestierten ihm durchaus viel Freundlichkeit und Wohlwollen, sogar Humor im Umgang mit den eigenen Niederlagen und eine zunehmende Milde im höheren Alter.

Schon damals prägten Debatten über Öffnung und Abschottung die Politik. Der aufkommende Tourismus bescherte der Schweiz viele Gäste, und mit ihnen kamen auch die «Fremden». Die Öffnung provozierte eine neue Rückbesinnung auf nationale Werte. Diese Tendenzen sind heute ähnlich. Während sich im Kontext einer politisch, kulturell und sozial verstandenen Globalität das Bewusstsein für die Lokalität schärft, bringt der einseitige wirtschaftliche Globalismus einen bornierten Provinzialismus hervor. Die verschärfte Konkurrenz drängt dazu, die Effizienz und Leistung zu optimieren. Das überfordert viele Menschen und führt zu einer gefährlichen «Selektion». Wer sich durchsetzen will, benötigt starke Ellenbogen. Wir gewöhnen uns von Kindesalter her an, von Schwächen anderer zu profitieren. Das korrumpiert.

Schwarz stand für seine eigenwilligen Ideen vehement ein und legte sich auch mit vielen Widersachern an. Er schrieb gegen die Schlechtigkeit der Welt an und engagierte sich für Menschen, die Unterstützung dringend benötigten, da die Zeiten hart waren. Schwarz reflektierte sie analytisch und kreativ. Sein Engagement half ihm, selbst Erlebtes zu verarbeiten und nicht an Missständen zu scheitern. Und vor allem gelang es ihm immer wieder, anderen Mut zu machen.

Der Stil des neu aufgelegten Buchs über die Geschichte des Geldes ist geprägt von dieser Mischung aus überzeugtem Engagement und pädagogischem Wohlwollen. Das macht es neben seinem informativen Gehalt spannend zu lesen. Und dass die provokativen und umstrittenen Ideen von Schwarz nicht nur naive Utopien sind, sondern durchaus Realitätsbezug aufweisen, zeigt sich nicht nur daran, dass die Schweiz schon vor längerem Gesetze gegen die Bodenspekulation einführte. International werden ebenfalls einzelne Ideen der Freiwirtschaft neu debattiert und teilweise sogar angewendet. So haben Regierungen teilweise erkannt, dass der Geldfluss in der Wirtschaft nicht versiegen darf. Auch der prominente Globalisierungskritiker Joseph Stiglitz warnt vor der Verknappung des Geldes. Denn Wirtschaftskrisen treffen die sozial Benachteiligten am härtesten. Diese haben keine Geldreserven, von denen sie zehren können. Während einzelne Reiche etwas vom vielen Geld verlieren und narzisstisch gekränkt sind, sind für die Armen schon geringfügige Einbussen existenzielle Bedrohungen.

Die aktuelle Situation zeigt deutlich, wie weit wir von einer Gesellschaft entfernt sind, in welcher soziale Ungleichheiten strukturell verhindert werden. Das war das Anliegen von Schwarz. Dafür setzte er sich ein. Sein Engagement für eine bessere Welt beeindruckt, unabhängig davon, wie stimmig und hilfreich seine Lehren der Freiwirtschaft waren und sind.


Fritz Schwarz: Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker. Band 1, gebunden, illustriert. Synergia Verlag. Darmstadt 2010. Zirka 260 Seiten

Die Freiwirtschaftslehre

Der deutsche Auswanderer Silvio Gesell (1862–1930) gilt als Gründer der Freiwirtschaftslehre. Gesell wurde um 1890 Opfer der damaligen argentinischen Wirtschaftskrise und begann sich in der Folge Gedanken über radikale Reformen der bestehenden Wirtschaftsordnung zu machen. Er forderte unter anderem die Beseitigung des Zwischenhandels, Zinsfreiheit und Abschaffung des «arbeitslosen Einkommens». Niemand sollte sich nach seiner Theorie etwa durch Verpachten, Vermieten oder spekulatives Verkaufen von Land bereichern können. Gesell wollte auch erreichen, dass Vermögen nicht mehr gehortet wird. Deshalb schlug er vor, die Lebensdauer des Geldes mittels stetiger Wertminderung zu begrenzen («Schwundgeld» oder «rostende Banknote»). Die Bewegung der «Freiwirte» spaltete sich in ihrer Geschichte mehrmals, es bildete sich in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch eine antisemitische Fraktion. Der deutsche Freiwirtschaftsbund wurde trotz Anbiederung an die Nazis 1934 verboten. In der Schweiz wurde 1951 die sogenannte Freigeldinitiative mit fast neunzig Prozent der Stimmen abgelehnt.