Transsexualität: Nahe am Normkörper

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Der «schwangere Mann» Thomas Beatie machte 2008 international Schlagzeilen. Die vielen kruden Kommentare dazu – nicht nur auf Onlineforen, sondern auch in der deutschen «taz» – zeigen, dass die Akzeptanz von Transsexuellen noch lange nicht selbstverständlich ist.

Dabei ist Transsexualität nichts Neues: «Für Menschen, die körperlich eindeutig als weiblich oder männlich gelten, sich aber diesem Geschlecht nicht zugehörig fühlen, gab und gibt es in vielen Kulturen und historischen Epochen einen Platz, mal eher am Rande, mal in der Mitte der Gesellschaft», schreibt Robin Bauer in der Broschüre «Ihre Eltern dachten, dass sie ein Junge wäre». Er romantisiert die Kulturen, die einen offenen Umgang mit dem Thema hatten, jedoch nicht: «Die Möglichkeit des Geschlechterwechsels stellt in der Regel nicht das System der Zweigeschlechtlichkeit in Frage.» Das tun allerdings auch viele Transsexuelle nicht. Das jedoch machen ihnen andere, die sich meist Transgender statt transsexuell nennen, zum Vorwurf. Robin Bauer lehnt solche Grabenkämpfe ab und bezeichnet alle mit dem heute in der Szene gebräuchlichen Begriff «Trans*».

Im ersten Teil der Broschüre zeichnet der Autor die jüngere Transgeschichte nach. Die ersten geschlechtsangleichenden Operationen fanden um 1930 im Berliner Institut für Sexualwissenschaft statt, das später von den Nationalsozialisten verwüstet wurde. In den folgenden Jahren gab es nicht viel Spielraum für abweichende Sexualitäten und Identitäten – bis in den sechziger Jahren US-amerikanische Transfrauen offensiv an die Öffentlichkeit traten. Inzwischen ist es in den meisten westlichen Ländern möglich, das Geschlecht hormonell, operativ und rechtlich zu verändern. Allerdings geht dem ein langes Prozedere mit psychiatrischen Gutachten voraus, und «das Ergebnis der medizinischen Massnahmen soll einem weiblichen beziehungsweise männlichen Normkörper möglichst nahekommen». Bis heute haben viele Gutachter starre Geschlechterbilder im Kopf («Was, Sie wären auch mit kleinen Brüsten zufrieden? Alle Transsexuellen, die ich kenne, wollen aber möglichst grosse!»). Kein Wunder, dass Transmenschen den Ärztinnen oft genau das erzählen, was diese hören wollen – und so Stereotypen verstärken.

Bauer liefert einen guten Überblick über die aktuellen Diskussionen, Konflikte und Kämpfe. Die Broschüre ist empfehlenswert auch für Eltern, Jugendarbeiterinnen und Lehrer. Schade nur, dass ein Glossar fehlt. Denn wer im Thema bewandert ist, vergisst schnell, dass das Wörterlernen am Anfang nicht einfach war.

Robin Bauer: Ihre Eltern dachten, dass sie ein Junge wäre. Transsexualität und Transgender in einer zweigeschlechtlichen Welt. Männerschwarm Verlag. Hamburg 2009. 48 Seiten. Fr. 10.90