Kanadas Rohöl: Der dreckigste Geldautomat

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Das Ölsandgeschäft macht eine riesige Wald- und Moorlandschaft zur Wüste, vergiftet das Wasser und setzt Unmengen von CO2 in die Luft: Am Mittwoch hat die Royal Bank of Canada für die Finanzierung des Abbaus in Davos einen Schmähpreis erhalten.


Das ganze Ausmass der Zerstörung lässt sich nur von oben erfassen. Deshalb ist Peter Mettler in den Helikopter gestiegen. Der kanadisch-schweizerische Regisseur hat den monumentalen Ölsandabbau in der kanadischen Provinz Alberta mit Luftaufnahmen dokumentiert und daraus den Film «Petropolis» geschnitten.

«Ich wollte einfach nur zeigen, was aus der Luft zu sehen ist», sagt Mettler im Gespräch mit der WOZ. Es habe bislang kaum solche Bilder zum Thema Ölsand gegeben. Von der Strasse aus zu filmen, sei ihnen von privaten Sicherheitsleuten oft verboten worden. Mettler drehte im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace. Doch er stellt klar: «‹Petropolis› ist kein Propagandafilm. Er soll zur Diskussion anregen.»

Tatsächlich kommt Mettlers Film fast ohne Kommentare aus. Die Bilder zeigen, wie eine Landschaft aussieht, in der Bäume und Büsche systematisch gerodet, Humus und Moor abgetragen und bis dreissig Meter tief Ölsand ausgebaggert wurde. Man sieht monströse Lastwagen, die den Ölsand in riesige Fabrikanlagen transportieren, wo das Rohöl aus dem Material extrahiert wird. Dazu wird täglich so viel Wasser aus dem angrenzenden Athabasca-Fluss gepumpt, wie eine Millionenstadt verbraucht. Während das gewonnene Rohöl in Pipelines vorab in die USA exportiert wird, karren die Laster den Sand zurück an seinen Ursprungsort. Das mit Ölresten verschmutze und mit Giften kontaminierte Wasser wird in Stauseeen geleitet. Doch diese lecken, und so gelangt das vergiftete Wasser zurück in den Fluss.

«Es ist schockierend, so viel kaputte Landschaft zu sehen», antwortet Mettler auf die Frage, was ihm beim Blick von oben durch den Kopf gegangen ist. «Es fehlen einem die Worte.» Mettlers Film wurde vergangenes Wochenende am Filmfestival in Solothurn gezeigt. Verschiedene Fernsehstationen haben ihn bereits ausgestrahlt. «In Europa sind die Zuschauer meist schockierter als in Kanada», sagt Mettler. «Viele haben bislang noch nichts vom Ölsandabbau gehört und glaubten, Kanada sei ein Land der Wildnis mit einer unberührten Natur.» In Kanada hingegen werde längst intensiv über den Ölsandabbau diskutiert.

Ein Waldgebiet, gross wie England

Dass der Ölsandabbau in Kanada auch hierzulande ein Thema wird, daran arbeitet auch das PublicEye von Davos. Die konzernkritische Veranstaltung von Greenpeace und der Erklärung von Bern am Rande des Weltwirtschaftsforums (Wef) hat am Mittwoch der Royal Bank of Canada (RBC) den von einer Fachjury ausgewählten Schmähpreis für das international verantwortungsloseste Unternehmen verliehen. Die grösste Bank Kanadas hat in den letzten zwei Jahren den Ölsandabbau mit zwanzig Milliarden US-Dollar finanziert. Und das ist erst der Anfang: Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen weitere sechzig Milliarden US-Dollar investiert werden. Insgesamt soll ein Waldgebiet so gross wie England gerodet und umgebaggert werden. Kanada ist auf dem Weg, der bedeutendste Erdölstaat der Welt zu werden.

Die PublicEye-VeranstalterInnen nennen RBC den «dreckigsten Geldautomaten der Welt». Aus Ölsand Rohöl zu gewinnen, ist sehr energieaufwendig, da der Ölsand erhitzt werden muss. Für die Gewinnung von zwei Fass Rohöl aus Ölsand wird ein Fass Gas verbrannt. Allein dieser Prozess ist heute schon für fünf Prozent des ganzen CO2-Ausstosses Kanadas verantwortlich. Mit der Produktion gelangen zudem jährlich über vier Milliarden Liter kontaminiertes Wasser zurück in die Umwelt.

Wildtiere weisen hohe Konzentrationen an Arsen in ihrem Fleisch auf, Flussfische verkrüppeln, ungewöhnliche Krebserkrankungen breiten sich bei AnwohnerInnen aus. Am meisten unter der Naturzerstörung in Alberta leiden die UreinwohnerInnen des Landes, weil sie sich von den Fischen im Fluss ernähren und das Wild in den Wäldern jagen. Verschiedene Stämme fordern ein Moratorium für den Ölsandabbau.

Bisher ist jede Kritik an der RBC abgeperlt. Die Firma rühmt sich auf seiner Homepage, eines der grünsten Unternehmen Kanadas zu sein. Unter dem Stichwort Umwelt ist zu lesen: «Wir glauben, dass die Erhaltung der Umwelt entscheidend für die Nachhaltigkeit unserer Gemeinden, Kunden und unserer Firma ist.» Zur Imagepflege von RBC gehört auch, dass die Firma an den kommenden Olympischen Spielen im kanadischen Vancouver einer der Hauptsponsoren ist.

Shell krebst zurück

Allerdings scheint der politische Druck der UmweltschützerInnen und UreinwohnerInnen nicht nutzlos zu sein. Zumindest der Ölkonzern Shell bewegt sich: Das britisch-niederländische Unternehmen ist von allen Ölkonzernen am stärksten in der Ölsandgewinnung engagiert. Die Firma fördert in Alberta ab nächstem Jahr täglich 255 000 Fass Rohöl. Geplant war, dieses Volumen schrittweise auf bis zu 700 000 Fass zu erhöhen. Doch daraus wird jetzt wahrscheinlich nichts. Shells neuer Konzernchef, der Schweizer Peter Voser, hat am Montag in der «Financial Times» bekannt gegeben, dass man die weitere Expansion in dem Geschäft «sehr viel langsamer» angehen wolle. Voser begründet die strategische Neupositionierung mit den hohen Kosten beim Ölsandabbau. Es gebe genug andere Wachstumsmöglichkeiten.

Hinter dem angekündigten Kurswechsel steckt womöglich noch ein anderer Grund: Für die Generalversammlung des Konzerns im Mai haben kritische AktionärInnen einen Antrag zum Thema Ölsandgeschäft gestellt. Pensionskassen und nachhaltige InvestorInnen fordern eine Überprüfung der Aktivitäten, bevor neue Investitionen getätigt würden. Die «Risiken des Abbaus» sollen eingehend untersucht werden. Andernfalls fürchte man um den langfristigen Erfolg der Firma.