Kanada: Härtere Zeiten für die Ölbarone

Nr. 20 –

Die Umweltverbände freuen sich. Nach 44 Jahren an der Regierung sind in der kanadischen Provinz Alberta die Konservativen abgewählt worden. Und auch Kanadas rechtem Premierminister droht im Herbst Ungemach.

«Wir sind heute Morgen in einer anderen Provinz aufgewacht.» Ziemlich euphorisch beschreibt Mike Hudema von der Umweltorganisation Greenpeace den politischen Erdrutsch, der sich in der kanadischen Provinz Alberta zugetragen hat. Vergangene Woche ist dort die Progressive Conservative Association of Alberta (PC) nach 44 Jahren ununterbrochener Regierungsverantwortung abgewählt worden.

Und das mit einem Paukenschlag: Die PC rutschte von 61 Sitzen im Regionalparlament auf gerade noch 10 ab, während die sozialdemokratische New Democratic Party (NDP) ihre Sitzzahl von 4 auf 53 steigern konnte. Damit verfügt die NDP nun über eine absolute Mehrheit im 87-köpfigen Gremium und kann mit Rachel Notley die Ministerpräsidentin stellen.

Jung, divers, kosmopolitisch

Der Machtwechsel in Alberta hat Auswirkungen, die weit über die westkanadische Provinz hinausgehen. Denn in Alberta liegen nach Saudi-Arabien und Venezuela die weltweit drittgrössten Erdölreserven, allerdings zumeist gebunden in Ölsand. Der hohe Ölpreis der letzten Jahre hat in der Region einen Boom zum Abbau von Ölsand entstehen lassen, aktiv gefördert von der regierenden PC. Dabei haben die Konservativen alle Bedenken der Umweltorganisationen in den Wind geschlagen. Denn der Abbau von Ölsand und die Gewinnung von Schweröl (Bitumen) daraus erfordern nicht nur sehr viel Energie, sondern verschmutzen auch die Luft, das Wasser und die Böden.

Die neue Ministerpräsidentin Rachel Notley ist keine Gegnerin des Ölsandabbaus, doch sie hat angekündigt, schärfere Umweltvorschriften zu erlassen. Zum Unbill der Ölindustrie möchte sie auch eine Erhöhung der Lizenzgebühren prüfen und die Unternehmenssteuer anheben. Sie wird auch nicht weiter für den Bau der geplanten Ölpipeline Keystone XL von Alberta in den Süden der USA lobbyieren, wie das ihr Vorgänger gemacht hat. Zudem hat sie sich sogar ausdrücklich gegen die Enbridge Northern Gateway Pipeline ausgesprochen, die an die Pazifikküste führen soll und von der nationalen Regierung bereits genehmigt wurde. Diese Ölleitung wird besonders von der indigenen Bevölkerung in den betroffenen Gebieten bekämpft, die Lecks und schwere Umweltschäden befürchten. Zwei andere vorgesehene Pipelines – eine ebenfalls an den Pazifik sowie eine an die Ostküste Kanadas – will Notley allerdings weiter unterstützen.

Mike Hudema, der für Greenpeace die Kampagne gegen den Ölsandabbau von Edmonton aus leitet, ist sich sicher: «Rachel Notley wird unter extremen Druck der Ölindustrie geraten.» Doch mit dem Wahlsieg ihrer Partei sei jetzt klar: «Es gibt eine Gegenkraft in Alberta, die gegen die Ölfirmen bestehen kann. Die Provinz hat sich gewandelt.» Tatsächlich gab es in den letzten Jahren einen starken demografischen Wandel. Nicht zuletzt wegen des Ölbooms sind Hunderttausende neu zugezogen. Alberta ist heute «jung, divers und kosmopolitisch», wie das «Edmonton Journal» schreibt. Das «Texas von Kanada» sei inzwischen progressiver als manch andere kanadische Provinz.

Der Grund für die Abwahl der Konservativen ist denn auch nicht primär deren Umweltpolitik geschuldet. Die Partei hatte sich in verschiedene Korruptionsskandale verstrickt. Ausserdem ist ihr mit der Wildrosen-Partei Konkurrenz von rechts erwachsen, die ebenfalls mit grosszügigen Spenden von der Ölindustrie alimentiert wird.

Grosses Klumpenrisiko

Was der PC aber noch mehr geschadet hat, ist der fallende Ölpreis der letzten Monate. Damit wurde offensichtlich, dass die wirtschaftspolitische Konzentration auf Ölsandgewinnung zu einem Klumpenrisiko geführt hat. Mehrere Milliarden an umsatzabhängigen Lizenzgebühren drohen im nächsten Fiskaljahr wegzubrechen. Dennoch wollte die Regierung die Unternehmenssteuer nicht erhöhen. Und auch von einer Umwandlung der Kopfsteuer von zehn Prozent auf eine progressive Einkommensteuer wollte sie nichts wissen. Stattdessen plante sie einen rigiden Sparkurs etwa im Bildungssektor und wollte mehr Geld über höhere Krankenversicherungsbeiträge eintreiben.

Die Wahl in Alberta zeigt auf, dass auch in der nationalen Politik ein Machtwechsel in der Luft liegt. Im Herbst finden in Kanada Parlamentswahlen statt. Und der konservativen Regierung von Stephen Harper sind inzwischen fast sämtliche Parteibastionen in den Provinzen abhanden gekommen. Harper hält wenig von Klimapolitik. 2011 kündigte er als bislang einziger Regierungschef gar das internationale Klimaprotokoll von Kioto. Die Abwahl Harpers könnte die Macht der Ölkonzerne in Kanada weiter zurückdrängen.