Durch den Monat mit Andrew Jennings (Teil 1): Hat die Fifa Ihnen gedroht?
WOZ: Andrew Jennings, wenn die Fussballweltmeisterschaft nächste Woche losgeht, werden Sie kaum in Südafrika sein?
Andrew Jennings: Nein, und das enttäuscht mich natürlich schwer. Nicht wegen des Fussballs, aber weil ich nicht am Kongress des Weltfussballverbandes Fifa teilnehmen kann. Sepp Blatter hat mich von allen Fifa-Presseanlässen ausgeschlossen. Soweit ich weiss, bin ich der einzige Journalist in dieser Lage.
Was haben Sie verbrochen? Sie scheinen nicht im richtigen Alter, ein Hooligan zu sein...
Sicherlich nicht, und es hat mir bisher auch noch niemand falsches Verhalten vorgeworfen. Aber ich stelle Fragen, die Herrn Blatter in schlechtem Licht erscheinen lassen könnten.
Gab es einen Auslöser für Ihren Ausschluss?
Im April 2003 enthüllte ich in einem Artikel, dass sich Sepp Blatter einen sechsstelligen Bonus ausbezahlt für seine brillanten Leistungen als Fifa-Präsident. Noch am Morgen des Erscheinens liess Blatter verlauten, dass er mich verklagen würde.
Und das tat er?
Natürlich nicht. Mir lag ein Dokument eines ehemaligen höheren Fifa-Mitglieds vor, das meine Behauptung belegte. Aber die Drohung schreckte andere Journalisten davon ab, die gleichen Fragen zu stellen.
Sich einen Bonus auszubezahlen, ist doch legal in dieser Position ...
Das macht es nicht weniger beschämend. Als die Marketingfirma ISL bankrott ging, eine Firma, die nachweislich grosse Schmiergeldsummen an die Fifa bezahlte, erzählte mir ein ehemaliger ISL-Angestellter, dass die Fifa darüber glücklich sei. Jetzt, wo der Geldhahn zugedreht sei, bräuchten sie das Geld bloss einige Jahre im Haus zu behalten, bis sie es sich ganz legal als Bonus ausbezahlen könnten.
Wieso konfrontiert niemand sonst die Fifa mit solchen Vorwürfen?
Die meisten Sportreporter reden nur über den Sport selber. Die fragen Blatter nach Details: Soll der Videobeweis eingeführt werden? Sollen Frauen zukünftig in kürzeren Hosen spielen? Ich bin ein investigativer Journalist. Wenn Sie mich an ein Spiel schicken, werde ich sogar noch das Resultat falsch rapportieren. Ich stelle andere Fragen: Warum wurde der Vertrag für die sogenannten Hospitality-Pakete für die WM in Südafrika an Blatters Neffen vergeben? Warum hat Blatters Neffen niemand über die Schulter geschaut, als es klar war, dass diese Pakete überteuert sind? Die meisten Sportreporter haben das Gefühl, dass sie nett zu Blatter sein müssen. Das ist nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist es, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, genauso wie ich das mit einem Politiker oder dem Papst machen würde.
Und das mag Blatter nicht ...
Überhaupt nicht. Er ist gewohnt, freundlich zu Reportern zu sein, die Krawatte auszuziehen und sich mit ihnen an einen runden Tisch zu setzen. Er ist ein grossartiger Hinterzimmermanipulator, aber wenn die Fragen unangenehm werden, verstört ihn das. Wie vor acht Jahren, als beim Spiel zwischen Italien und Südkorea ein Linienrichter aus Trinidad sehr diskutable Entscheidungen traf und Blatter danach von der italienischen Presse ins Visier genommen wurde. Da versprach er ganz schnell Veränderungen und Reformen, auch wenn sich seither überhaupt nichts geändert hat.
Hat Sepp Blatter oder die Fifa Ihnen jemals gedroht?
Ach, zur Genüge. Gerade erst haben sie einem Kongress über Korruption, bei dem ich als Redner auftrat, mit einer Klage gedroht. Aber ich weiss genau, dass die nicht mit mir vor Gericht wollen, wo sie in den Zeugenstand geladen werden könnten. Ich kenne vielleicht nicht alle Antworten über die Fifa, aber ich kenne die richtigen Fragen, die sie nicht unter Eid beantworten wollen.
Was ist mit anderen Repressalien? Sie haben die Fifa schon mit einer Bande des organisierten Verbrechens verglichen ...
Ja, aber ich werde nicht erschossen, wenn Sie das meinen. Die Fifa bewegt sich nicht in solchen Kreisen. Sie sind Diebe, nicht Mörder. Ganz nebenbei, bei der Art, wie die Organisation geführt wird, würden sie dabei wohl noch Mist bauen. Ich bin in einer viel sichereren Position als meine Arbeitskollegen in Osteuropa, zum Beispiel. Blatter hat wahrscheinlich viel mehr Angst vor mir als ich vor ihm.
Andrew Jennings (66) ist ein freier investigativer Journalist, der seit über drei Jahrzehnten über Korruption in Politik und Sport schreibt. Besonders seine Nachforschungen über das Internationale Olympische Komitee (IOK) und den Weltfussballverband Fifa – letztere nachzulesen in «Foul! The Secret World of Fifa» – haben international für Aufsehen gesorgt. Er lebt und arbeitet im Norden Englands.