Durch den Monat mit Andrew Jennings (Teil 3): Tränengas beim Stadion?

Nr. 24 –

WOZ: Andrew Jennings, welche WM-Spiele haben Sie verfolgt?
Andrew Jennings: Ich war an England interessiert, obwohl ich Schotte bin. Aber das ist mehr eine nationale Verpflichtung denn echtes Interesse. Mich hat Deutschland – Australien viel mehr beschäftigt.

Wieso ausgerechnet dieses Spiel?
Australien hat sich um die WM 2018 beworben. Die Kampagne wird geführt vom australischen Milliardär Frank Lowy, einem der weltgrössten Besitzer von Einkaufszentren. Lowy hatte gewisse Probleme mit den Steuerbehörden, seit auskam, dass er Gelder auf der berüchtigten LGT Bank in Vaduz platziert hatte und sein Sohn sich weigerte, vor dem US-Senat auszusagen, um sich nicht selbst zu belasten. Lowy muss sein Image in Australien aufpolieren. Wer versucht, eine WM in sein Land zu bringen, dem jubeln die Sportreporter zu. Die Ironie dabei ist, dass er für diese Kampagne 45 Millionen Dollar von der australischen Regierung erhalten hat.

Was geschah mit der Bewerbung?
Der asiatische Fussballverband, dem Australien ebenfalls angehört, kündigte letzte Woche an, dass er eine europäische Bewerbung unterstützen werde, sei das England oder Russland. Lowy und seine Strategen Fedor Radmann und Peter Hargitay hatten davon offensichtlich nichts gewusst und waren etwas brüskiert. Es war sehr witzig zu beobachten, wie sie das PR-Debakel noch umzudrehen versuchten – sie behaupteten, dass es ihnen in Wirklichkeit ohnehin um die Bewerbung für 2022 gegangen sei, sie dies aber geheim gehalten hätten.

Klingt plausibel ...
Es war ein massiver Rückschlag. Hargitay ist bedeutungslos, der tut nur so, als gehöre er dazu. Aber Fedor Radmann an Bord zu haben, einen engen Freund von Franz Beckenbauer, der sehr gute Verbindungen zur alten Garde hat, und dann zu merken, dass Australien trotzdem keine Freunde besitzt, das tut weh. Und mit Ausnahme einiger dümmlicher Sportreporter zu Hause hat jeder gemerkt, dass Australien in der Tinte sitzt.

Was hat das mit dem Spiel zu tun?
Es war eine Niederlage auf der politischen wie auf der sportlichen Ebene. Nicht nur fehlt ihnen die Unterstützung ihrer asiatischen Kollegen, nicht nur haben sie ein Nachwuchsproblem, jetzt wurden sie auch noch auf dem Feld vorgeführt. Australien ist keine aufstrebende Fussballnation. Das Land ist nicht bereit für eine Weltmeisterschaft, und das hat man gesehen.

Was ist sonst so passiert? In Schweizer Zeitungen konnten wir nur lesen, dass die WM eine Chance für Afrika darstelle ...
Der «Mail and Guardian», eine Zeitung aus Johannesburg, konnte vor Gericht erwirken, dass die lokale Ausrichterin der Spiele, das Local Organizing Committee (LOC), die Dokumentation ihrer kommerziellen Aktivitäten offenlegen muss – insbesondere über die Ausschreibung der Stadionbauten. Die LOC hatte sich bisher mit dem Argument geweigert, sie sei keine Regierungsorganisation. Seien wir ehrlich: Wenn da keine dreckigen Geheimnisse drinstehen würden, wären sie nicht so scharf darauf, das geheim zu halten. Aber natürlich interessieren sich die Applausjournalisten nicht für solche Geschichten.

Ein Schweizer Gewerkschafter erzählte mir diese Woche, er glaube, dass die Spiele tatsächlich etwas zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der südafrikanischen Arbeiter beigetragen haben, wenn auch nur wenig.
Das überrascht mich. Am Sonntag schossen Polizisten mit Tränengas auf streikendes Sicherheitspersonal des Stadions in Durban – das nach dem ehemaligen kommunistischen Parteichef Moses Mabhida benannt ist.

Auch die Geschichte mit dem Ticketing scheint noch nicht ausgestanden. Bei einem Spiel waren 15 000 Zuschauer weniger im Stadion als Tickets verkauft worden waren. Die Fifa hat angekündigt, das zu untersuchen.
Die Fifa weiss genau, was los ist. Die Tickets liegen noch bei den Reisebüros und Ticketverkäufern, die riesige Mengen eingekauft hatten, sie aber nicht weiterverkaufen konnten, weil die Tickets einfach zu teuer waren. Die Leute haben sich lieber neue Fernseher gekauft, das war billiger. Da herrscht eine Riesenenttäuschung in der Reisebranche, und ich habe Gerüchte gehört über eine eventuelle Massenklage gegen die Ticketingfirmen, die die Preise zu hoch ansetzten. Es erstaunt mich nicht, dass die Fifa darüber nicht reden will. Es ist natürlich viel plausibler zu glauben, dass Leute Tickets kaufen, ein paar tausend Kilometer fliegen und dann einfach nicht an die Spiele kommen.

Andrew Jennings (66) ist ein freier investigativer Journalist, der seit über drei Jahrzehnten über Korruption in Politik und Sport schreibt. Besonders seine Nachforschungen über das Internationale Olympische Komitee (IOK) und den Weltfussballverband Fifa – letztere nachzulesen in «Foul! The Secret World of Fifa» – haben international für Aufsehen gesorgt. Er lebt und arbeitet im Norden Englands.

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