Energiepolitik: Geniales von der Wischiwaschipartei

Nr. 15 –

Im Wahljahr haben die Parteien, die sich als «ökologisch» positionieren, diverse Volksinitiativen anzubieten. Es überzeugt vor allem diejenige Initiative, deren Urheberin man das am wenigsten zugetraut hätte.


Wenn es den anderen Parteien gelingt, die Themensetzung nicht einmal mehr der SVP zu überlassen, dürfte die Energiepolitik im Herbst das ganz grosse Wahlkampfthema sein. Dazu hat natürlich die Atomkatastrophe in Fukushima beigetragen – aber nicht nur. Gegenwärtig sind fünf eidgenössische Volksinitiativen angekündigt, lanciert oder eingereicht, die sich um die Energiepolitik drehen. Thematisch verwandt sind zudem die Initiativen «für menschenfreundlichere Fahrzeuge» der Jungen Grünen und «für den öffentlichen Verkehr» des VCS.

Das jüngste Kind ist die Atomausstiegs-Initiative. Sowohl die Grünen wie die SP haben kurz nach dem Erdbeben vom 11. März die Forderung aufgestellt, nun schnell aus der Atomkraft auszusteigen; ihre konkreten Vorstellungen sind sich ähnlich. Die Nase vorn haben die Grünen, die bereits einen Initiativtext zur Vorprüfung bei der Bundeskanzlei vorgelegt haben; die Lancierung soll im Mai erfolgen. Die SP dürfte mit an Bord sein; die Grünliberalen, die an sich einen langsameren Ausstieg bevorzugen werden, werden es sich kaum leisten können, abseits zu stehen.

Pfiffige Grünliberale

Ebenfalls noch in Vorbereitung ist die Initiative für eine «Energie- statt Mehrwertsteuer» der Grünliberalen. Mit der Initiative wagen sie sich auf schwieriges Terrain: 2001 scheiterte eine Initiative der Grünen, die Ökosteuern zugunsten der AHV erheben wollte, mit nur 23 Prozent Ja-Stimmen grandios; eine ähnliche, 2006 lancierte Initiative kam nicht zustande.

Doch die grünliberale Initiative ist ein Geniestreich. Sie soll nicht wie die gescheiterten Vorgängerinnen die Sozialabgaben ersetzen, sondern die Mehrwertsteuer (MWSt). Das geht ökologisch in die richtige Richtung, weil es an der Quelle der Umweltbelastung ansetzt. Die Steuer wäre leichter zu erheben als die komplizierte und daher unbeliebte MWSt. Bürgerliche Parteien, die sich für einen «Abbau der Bürokratie» einsetzen, werden gut argumentieren müssen, wenn sie das Vorhaben nicht unterstützen. Und aus sozialpolitischer Sicht ist erfreulich, dass nicht die einkommensabhängigen Sozialabgaben ersetzt werden, was zu einer Mehrbelastung der Wenigverdienenden führen würde.

Grüne «Ressourceneffizienz»

Das Wahlkampfvehikel der Grünen ist die Initiative «Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft». Die Unterschriftensammlung begann Anfang März und läuft, laut Parteisekretariat, «sehr gut». Das Wort «Energie» kommt im Initiativtext nicht vor, stattdessen ist allgemeiner von «Ressourcen» die Rede.

Die Initiative will eine Wirtschaft, die «die Umwelt möglichst wenig gefährdet und belastet». Bis 2050 soll die Umweltbelastung («ökologischer Fussabdruck») pro EinwohnerIn auf ein Mass reduziert werden, das nachhaltig wäre, wenn es auf die Weltbevölkerung übertragen würde. Zentraler Gedanke ist die «Ressourceneffizienz» – ein auch für Bürgerliche anschlussfähiger Begriff. Doch die Formulierung «Bund, Kantone und Gemeinden streben eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft an» macht die Initiative für wirtschaftsliberale Kreise zum No-go: In ihrem Verständnis wird eine Wirtschaft nicht von politischen Instanzen «angestrebt», sie ergibt sich von selbst. Dass der Initiativtext recht schwammig bleibt, liegt in der Natur der Sache: Ein solches Anliegen lässt sich nicht auf Verfassungsstufe bis ins Detail ausformulieren. So «kann» denn der Bund laut Initiativtext verschiedene Massnahmen ergreifen: die entsprechende Forschung sowie «Synergien zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten» fördern, Vorschriften erlassen, steuerliche Anreize setzen.

«Saubere» Technik

Schon ein Jahr länger sammelt die SP für ihre Cleantech-Initiative. «In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft» soll eine Energieversorgung sichergestellt werden, die «die Schweiz aus ihrer Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Energien befreit, Arbeitsplätze schafft und den Wohlstand der ganzen Bevölkerung langfristig sichert». Bis 2030 soll mindestens die Hälfte der Energie, die in der Schweiz verbraucht wird, aus erneuerbaren Quellen stammen (heute sind es achtzehn Prozent). Um die Ziele zu erreichen, soll der Bund «Massnahmen zur Förderung von Innovationen im Energiebereich» unterstützen sowie «Innovationen zugunsten erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz» treffen. Zudem soll er Vorschriften erlassen, die sich an der «besten verfügbaren Technologie» orientieren.

Der Cleantech- und ein wenig auch der Wirtschaftsinitiative der Grünen liegt eine Idee zugrunde, die nach der Finanzkrise 2008 populär wurde: der Green New Deal – also die (theoretisch kaum haltbare) Idee, mit der Rettung der Wirtschaft lasse sich diese gleich auch umweltfreundlich gestalten. Win-win, heisst das auf Neudeutsch. Beide Initiativen wollen nicht bannen, was schadet, sondern fördern, was weniger schädlich ist. Das ist aber nicht unbedingt zielführend. Eine Wirtschaft, die, wie von der Cleantech-Initiative angestrebt, die Hälfte ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht, kann die Umwelt stärker belasten als eine, die nur ein Drittel erneuerbare Energie einsetzt, aber insgesamt weniger verbraucht. Demgegenüber sagt die Ökosteuer-Initiative der GLP, wo etwas genommen werden soll. Es sind, paradoxerweise, gerade die Grünliberalen mit ihrem Image als «Wischiwaschipartei», deren Initiative am meisten überzeugt.


Die Energieinitiativen : Geplant, lanciert, hängig

Für ein gesundes Klima

Grüne, SP, GLP, zahlreiche Umweltverbände. Eingereicht am 29. Februar 2008. Abstimmung voraussichtlich 2012 oder 2013.

Die Treibhausgasemissionen sind bis 2020 um mindestens dreissig Prozent unter den Stand von 1990 zu senken. Das Ziel wird vor allem durch eine Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der «neuen erneuerbaren Energien» angestrebt.

Für eine nachhaltige und ressourceneffiziente Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)

Grüne Partei. Die Unterschriftensammlung läuft seit dem 8. März 2011.

Es wird eine Wirtschaft angestrebt, die «das Potenzial natürlicher Ressourcen nicht beeinträchtigt und die Umwelt möglichst wenig gefährdet und belastet».

Neue Arbeitsplätze dank erneuerbarer Energien (Cleantech-Initiative)

SP, unterstützt von mehreren Parteien, Verbänden und Firmen. Unterschriftensammlung seit 16. März 2010, wird voraussichtlich im Frühsommer eingereicht.

Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Bis 2030 wird der Gesamt- energiebedarf der Schweiz «mindestens zur Hälfte aus erneuerbaren Energien gedeckt».

Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie

Grüne Partei, ob andere Parteien sich anschliessen, ist noch offen. Lancierung letzten Samstag offiziell beschlossen, auf Mai geplant.

Abschaltung der AKWs spätestens vierzig Jahre nach Inbetriebnahme; für die älteren AKWs spätestens ein Jahr nach Annahme der Initiative.

Energie- statt Mehrwertsteuer

Grünliberale Partei, Gespräche mit möglichen Unterstützern laufen. Lancierung letzten Samstag offiziell beschlossen.

Die Mehrwertsteuer wird durch eine Steuer auf fossile Energieträger (Erdöl, Erdgas, Kohle) ersetzt.