Schweizer Pensionskassen : Die unmögliche Rentenmission
Die Euro-Krise setzt den Schweizer Pensionskassen zu. Im ersten Halbjahr 2011 haben viele Verluste erwirtschaftet. Anstatt Rentenkürzungen wären nun neue Ideen gefragt.
Vergangene Woche trafen sich im Zürcher Hotel Marriott Schweizer Pensionskassenmanager und -expertinnen zu einem Erfahrungsaustausch unter dem seltsamen Titel «Schweizer Leadership Pensions Forum». Schon das Einleitungsreferat war nicht gerade ermutigend: Von Wolfgang Munchau, Mitherausgeber der «Financial Times», bekamen die Anwesenden zu hören, dass die Euro-Krise «noch lange dauern wird». Die Wirtschaft werde in den nächsten Jahren nur wenig wachsen.
Pensionskassen beschäftigen sich in erster Linie mit der Frage, wie sie das Geld ihrer Versicherten möglichst sicher und gewinnbringend anlegen können. Um die gesetzlich vorgegebenen Rentenleistungen langfristig bedienen zu können, aber auch um die eigenen Administrativkosten zu decken, ist eine Rendite von drei bis vier Prozent nötig. Doch genau das konnten viele Pensionskassen in den letzten Jahren nicht realisieren. Durchschnittlich weisen sie laut Umfrage des Schweizerischen Pensionskassenverbands (Asip) für das erste Halbjahr 2011 gar einen Verlust auf das angehäufte Kapital von 0,2 Prozent aus.
Verwaltungskosten zu hoch
An der Veranstaltung im Marriott-Hotel war denn auch von einer «mission impossible» die Rede – einem unmöglichen Auftrag. Viel Zustimmung erhielt Joseph Steiger vom Bundesamt für Sozialversicherungen, der eine Senkung des sogenannten Umwandlungssatzes forderte. Das sei jedoch nur möglich, wenn «politische Mehrheiten» gefunden würden. Derzeit haben Pensionierte normalerweise einen jährlichen Anspruch auf 6,8 Prozent ihres bis zur Pensionierung angesparten Vermögens. Eine Senkung des Umwandlungssatzes würde eine Rentenkürzung bedeuten. Der Bundesrat will diese Kürzung schon lange durchsetzen, wurde jedoch letztes Jahr durch ein erfolgreiches Referendum der Gewerkschaften ausgebremst.
Einer, der sich an der Veranstaltung der verbreiteten Schwarzmalerei engegenstellte, war Ruedi Strahm, früherer SP-Nationalrat und Preisüberwacher. Bevor man über Kürzungen rede, sollten zuerst die Verwaltungskosten der Pensionskassen sinken, forderte er. Strahm sprach von einem «Selbstbedienungsladen», der zu einer «Vertrauenskrise» geführt habe. Entsprechende Reformvorhaben des Bunds sind im Sand stecken geblieben.
Unsichere Anlagemöglichkeiten
Strahms Kritik trifft einen wunden Punkt. Doch sie geht zu wenig weit. Das Problem der Pensionskassen ist, dass sie bei anhaltend tiefem Wirtschaftswachstum ihre Rentenversprechen langfristig nicht erfüllen können. Rund 600 Milliarden Franken Pensionskassengelder müssen inzwischen irgendwo angelegt werden und sich vermehren. Doch wer derzeit etwa Aktien kauft, kann nicht sicher sein, dass ihr Wert steigt und er Dividenden ausbezahlt bekommt und der Wert der Aktien steigt. Gemäss Umfrage der Asip ist der Aktienanteil in den Portefeuilles der Pensionskassen entsprechend gesunken. Mit Abstand am meisten Geld legen die Schweizer Pensionskassen in Obligationen an. Dabei handelt es sich um Anleihen der öffentlichen Hand, aber auch der grossen Industriebetriebe und Banken. Sie galten bislang als sichere Werte, die auch lange ansehnliche Zinsen einbrachten. Doch damit ist es vorerst vorbei: Sichere Obligationen werfen noch minimale Zinsen ab. Staatspapiere und Bankobligationen, die hohe Zinsen bieten, gelten als risikoreich. Pensionskassen sind deshalb heute oft gezwungen, sie mit Verlust zu verkaufen.
Einen Ausweg bietet in der Schweiz derzeit noch der Immobilienmarkt. Tatsächlich sind Pensionskassen in diesem Jahr dort deutlich aktiver. Doch auch dieser Markt hat seine Tücken. So warnt etwa die Nationalbank vor einer Immobilienblase und damit vor der Gefahr, dass Häuser plötzlich stark an Wert verlieren könnten. Ausserdem werden Investitionen in Immobilien oft auf dem Rücken der MieterInnen getätigt: Günstige Mietshäuser werden luxussaniert, um höhere Renditen zu erzielen und so die hohen Kaufkosten zu amortisieren.
Bleiben «alternative Anlagen» wie Investitionen in Rohstoffe oder Hedgefonds. Sie sind oft reine Spekulation und dementsprechend risikoreich. Ausserdem ist die Spekulation mit Rohwaren inzwischen zu Recht verpönt (vgl. Artikel auf Seite 11).
Strukturelle Reformen nötig
Rita Schiavi, Geschäftleitungsmitglied der grössten Einzelgewerkschaft Unia, brachte im «Marriott» einen Reformvorschlag ein. So sollen künftig die Pensionskassen ihren Versicherten nur noch bis zum achtzigsten Lebensjahr den obligatorischen Rentenanteil auszahlen. Danach soll der Sicherheitsfonds des Bunds einspringen (der von allen Pensionskassen zusammen finanziert wird) und weiter zahlen. Damit könnte der jetzige Umwandlungssatz zumindest beibehalten werden. Zusätzlich benötigte Gelder würden jedoch solidarisch von allen Versicherten getragen. Pensionskassen mit vielen älteren Pensionierten würden dadurch entlastet.
Angesichts der langfristig unsicheren Wirtschaftsentwicklung sind jedoch noch weitere Schritte nötig, etwa eine Gewichtsverlagerung von der zweiten hin zur ersten Säule. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB will nächstes Jahr ein fertiges Modell für eine Zusatz-AHV für tiefe und mittlere EinkommensbezügerInnen präsentieren. Deren Renten würden so steigen, und ihre Abhängigkeit von der Pensionskasse verringert.