Medientagebuch: Alte Freunde

Nr. 47 –

Michael Stötzel über vierzig Jahre «Arbeiterkampf»

Nach langer Zeit mal wieder Artikel aus dem Hamburger «ak» zu lesen, das ist wie alte Freunde wiedersehen. Zwar kommt die Zeitung mit neuem Namen daher, schon seit zwanzig Jahren heisst sie nicht mehr «Arbeiterkampf», sondern «Analyse&Kritik». Aber die politische Wellenlänge scheint schnell wieder vertraut. Und die Herangehensweise an Themen, die eher skeptische Tonlage, selbst die zuweilen aus der Hüfte geschossene Kritik – das wieder zu lesen, tut gut. Wenngleich auch Bedrückung aufkommt: Vierzig Jahre Gestrampel, etwa auf der Stelle?

Der «ak» wurde 1971 als «Arbeiterzeitung des Kommunistischen Bundes» (KB) gegründet. Es war die Zeit der «Zentralorgane» von Gruppen, die die Vorhut einer neuen kommunistischen Partei sein wollten. Diesen Unsinn machte der KB nicht mit. Die Hamburger Gruppe betrachtete sich zwar auch als «marxistisch-leninistisch», belästigte das Publikum in seiner Zeitung aber nicht mit Parteifolklore und schon gar nicht mit nachgekochtem Brei aus der sowjetischen, der albanischen oder der chinesischen Küche. Vielmehr bot der «Arbeiterkampf» umfänglich recherchierten Hintergrund zu allen nur denkbaren internationalen Themen, zum bundesdeutschen Imperialismus und zu staatlicher Repression, zum Feminismus, zur Atomkraft. Damals zumindest fanden wir die Artikel immer aktuell, gründlich erarbeitet und gut lesbar.

So wurde die Zeitung zum einzigartigen Erfolgsprodukt neulinker Publizistik. Auf dem Höhepunkt, etwa 1977, brachte der KB zweiwöchentlich mehr als 20 000  Exemplare mit bis zu 64 Seiten unter die Leute. InsiderInnen sagen, die rund 2000 GenossInnen hätten damals faktisch nur noch für die Zeitung gearbeitet. Sie hätten viel Dümmeres tun können.

Folgerichtig begann der Absturz des Blattes mit dem Zerfall der Organisation. Tonangebende Gruppen des KB beteiligten sich an der Gründung der Grünen, der Rest hielt noch fast ein Jahrzehnt durch und löste sich erst 1991 auf. Übrig blieb ein Kreis von FreundInnen, die als «Verein für politische Bildung, Analyse und Kritik» die Zeitung weitertrugen und monatlich herausbrachten. Mit dem offen ausgesprochenen Ziel, erst mal zu überwintern.

Sie haben es geschafft, bis heute. Obgleich sie sich dem linken Zeitgeist nie anpassten. Beispiel: Die Redaktion sagte Nein zur Libyen-Intervention der Nato («der erste Schritt, die europäische und US-Dominanz über die Region wieder herzustellen»). Viele neue Abos bringt so eine Position nicht.

So ist das Blatt auch heute noch auf die Solidarität der alten KBlerInnen angewiesen. Drei der sieben Redaktorinnen und die Mehrzahl in Produktion und Verwaltung sind seit den alten Tagen dabei, alle teilzeitbeschäftigt, zu einem Lohn, von dem allein keineR leben kann. Die Autorinnen und Autoren erhalten überhaupt kein Honorar. Bei einer Auflage von gut 3000 Exemplaren (4,20 Euro im Einzelverkauf, 53 Euro im Jahresabo) geht das Geschäft nur mit jährlichen Spendenkampagnen auf. Lange kann das nicht mehr gut gehen, das sagt schon die Biologie.

Zum vierzigsten Geburtstag wollen die GenossInnen jetzt noch einmal neuen Schwung holen. Weil sie ein Wiederaufleben der sozialen Bewegungen erahnen und zu deren Verständigung untereinander beitragen möchten. Es ist ihnen und uns zu wünschen, dass sie wirklich das Gras wachsen hören und es nicht mit dem Geräusch rieselnden Kalks verwechseln.

Michael Stötzel war von 1988 bis 2002 WOZ-Redaktor und schreibt heute für «work». Die Zeitschrift «Analyse&Kritik» gibts via 
www.akweb.de.