Film : Mit Staubsauger, Säge und Gitarre
«Für den modernen Menschen ist die Willenswelt ein Heiligtum. Niemand hat gerne, wenn man ihm in seinen Willen pfuscht», sagt Xaver Wirth, während er über den Bauernhof schlendert, «und die Autisten sind eigentlich sehr moderne Menschen.» Er schaut zu Roman, der aus dem Stall gekommen ist, und ergänzt: «Er kann seinen Willen nicht in den Willen eines anderen integrieren.»
Roman Dick ist Autist, und «Eine ruhige Jacke» ist ein Film über ihn. Doch das ist beides nur die halbe Wahrheit: Denn in Wirklichkeit ist «Eine ruhige Jacke» ein Film mit und von Roman. Und Roman ist nicht nur Autist, er ist ein junger Mann, der arbeitet und Sehnsüchte, Ängste und Bedürfnisse hat.
Während sechs Jahren hat der Regisseur Ramòn Giger an seinem Film gearbeitet – entstanden ist ein radikales und manchmal auch verstörendes Werk. Da Roman nicht sprechen kann, lässt Giger vor allem Bilder sprechen. Ausser zu Beginn des Films spricht nie eine dritte Person über Roman. Dieses Weglassen von Erklärungen ist die Stärke des Films. Giger zeigt. Er zeigt in ruhigen, schönen Bildern, wie Roman im Wald Holz sägt, wie der Betreuer Xaver Wirth ihn den Umgang mit der Motorsäge lehrt, wie Roman wütend davonspringt, wie er mit sich ringt, wie er in seiner eigenen Welt lebt und auf seine Mitmenschen reagiert.
Giger lässt aber auch Roman zeigen, was dieser selbst sieht. Mit einer wackeligen Handkamera filmt Roman seine Welt: er in seinem Zimmer mit laufendem Staubsauger und einer Gitarre umgehängt, auf der er schrummt, er mit einer Fasnachtsmaske, die Kühe im Stall … Dazu hört man stets sein eigenes Schnaufen und die Geräusche und Töne, die er beim Filmen von sich gibt. Das ist manchmal fast unangenehm und irritierend – doch genau diese Unmittelbarkeit zieht uns in das Filmgeschehen hinein.
Roman selber hat grossen Gefallen an den Dreharbeiten gefunden. So schreibt er auf die Frage seines Betreuers, ob er wegen des Films komme oder um die Handhabung der Motorsäge zu lernen: «Wegen des Films.» süs
«Eine ruhige Jacke». Schweiz 2010. Regie: Ramòn Giger. Ab 22. Dezember in Deutschschweizer Kinos.