Durch den Monat mit Bernhard Heusler (4): Warum outen sich Fussballer nicht?

Nr. 4 –

Der Präsident des FC Basel sagt, was er von der Qualität des Sportjournalismus hält, wann er sich für den Fussball schämen würde und wie er seine Stars zu schützen versucht.

Bernhard Heusler: «Ich wünsche mir, dass man sich wieder mehr am Spiel erfreut.»

WOZ: Herr Heusler, was Sie vor einem Monat antönten, ist eingetroffen: Neuchâtel Xamax wurde die Lizenz entzogen. Steht man jetzt wenigstens vor einer fast sicheren Situation?
Bernhard Heusler: Das ist wahrscheinlich die richtige Formulierung. Wir wissen jetzt, woran wir sind. Die Lizenz wurde entzogen, weil die Verantwortlichen die fundamentalsten Anforderungen unserer Lizenzierungsreglemente schlicht ignoriert haben. Im Raum bleibt zudem die Konkursgefahr.

Bei den aktuellen Geschichten um Xamax und Sion verliert man schnell den Überblick. Liegt das an der mangelnden Qualität der Sportjournalisten?
(Lacht.) Nein, das kann man den Sportjournalisten nicht vorwerfen. Das sind hochkomplexe Fälle, da ist es auch für geschulte Juristen nicht einfach, den Überblick über alle Details zu behalten.

Viele Sportjournalisten geben oft Informationen wieder, ohne sie zu hinterfragen. Pascal Claude hat Anfang des Monats in der WOZ nachgewiesen, dass die Schäden an SBB-Material, welche die Medien dauernd auf drei Millionen Franken beziffern, in Wirklichkeit zehnmal tiefer liegen.
Meines Wissens wurde diese Information nicht in erster Linie über die Sportjournalisten verbreitet, und ich kann nicht beurteilen, ob dies wider besseren Wissens geschah. Die Differenz scheint in der wesentlichen Unterscheidung zwischen Schaden und Gesamtaufwand der SBB zu liegen. Mag sein, dass in der teilweise tendenziösen Berichterstattung zu den Fans bewusst der Begriff «Schaden» zur Dramatisierung des Bildes verwendet worden ist. Dass wir aber mit Polemik nichts gewinnen, sondern nur Menschen frustrieren, habe ich schon mehrmals gesagt.

Wie sehr bestimmt die Öffentlichkeit das Handeln eines Fussballvereins? Fussballer stehen unter fast grösserer öffentlicher Beobachtung als Politiker …
Für uns ist es wichtig, ein korrektes Verhältnis zu den Medien zu pflegen. Die Bedeutung des Fussballs als übersteigerter Unterhaltungsindustrie mit Topgehältern für die Aushängeschilder ist auch der medialen Überhöhung geschuldet. Ein Fussballer ist nicht mehr nur ein toller «Tschütteler», sondern ein Star. Damit einher gehen massive Einschränkungen für das Privatleben wie auch die Tatsache, dass die Spieler ihren Kopf hinhalten müssen, wenn es mal nicht so lustig ist.

Wie reagiert der FC Basel, wenn die Medien nicht mehr anständig sind?
Jüngere Spieler werden im Umgang mit Medien geschult, gestandenen Profis wie Alex Frei oder Marco Streller muss man da nichts mehr beibringen. Aber wenn eine unfaire Kampagne gefahren wird, müssen wir als Verein einschreiten können und den Spieler schützen.

Wie machen Sie das?
Bei Alex Frei wurde zeitweise jede Handbewegung zur Staatsaffäre stilisiert. Da mussten wir uns als Verein manchmal vor ihn stellen und sagen: «Alex steht jetzt nur für Fragen zu den letzten neunzig Minuten zur Verfügung.»

Wenn ein Nationalrat ein uneheliches Kind zeugt, interessiert das niemanden, wenn Hakan Yakin dasselbe tut, steht das auf dem Titelblatt eines Boulevardblatts.
Mir hat ein Boulevardjournalist einmal gesagt: «Wenn wir zur Hochzeit eingeladen werden, dann sind wir eben auch bei der Scheidung dabei.» Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Medien in der Schweiz ohne Respekt vor der Privatsphäre auf das Privatleben der Spieler losgehen.

Die übersteigerte Öffentlichkeit führt aber auch zu Verlogenheit: Homosexualität ist im Fussball ein Tabu.
Natürlich halten wir alle ein Bild des Fussballs aufrecht, das auch künstlich ist. Vielleicht ist dieses betont männliche Bild dafür verantwortlich, dass Homosexualität auch in der Öffentlichkeit unterdrückt wird. Aber das ist kein Thema, das wir in einem so knappen Interviewformat differenziert abhandeln können.

Trotzdem: Es gibt männlichere Sportarten, Rugby zum Beispiel, in denen Homosexualität kein Problem ist.
Vielleicht bin ich naiv, aber ich glaube nicht, dass es heute eine Staatsaffäre wäre, wenn sich ein Nationalspieler outen würde.

Und wieso hat es bis heute keiner getan?
Vielleicht ist es tatsächlich so, dass es in diesem Hochglanzbild des Fussballs, das wir alle mitzeichnen, keinen Platz dafür gibt. Für mich ist es in der heutigen Zeit sowieso fremd, die Hetero- oder Homosexualität in irgendeinem Bereich unseres Zusammenlebens überhaupt noch zum Thema zu machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das tatsächlich grosse Wellen werfen würde, sonst müsste ich mich für den Fussball schämen.

Zum Abschluss: Was würden Sie sich als Vereinspräsident von den Medien wünschen?
Ich wünsche mir, dass man sich wieder mehr am Spiel erfreut. Der Fussball verdankt seine Faszination nicht einer Transfersumme von zehn Millionen Franken, sondern der Unergründlichkeit des Spiels. Und die Auseinandersetzung mit dem Spiel und seinen Besonderheiten tritt aufgrund von Transfergerüchten, Machtkämpfen und anderen Nebenkriegsschauplätzen viel zu oft in den Hintergrund.

Wirtschaftsanwalt Bernhard Heusler (48) hat beim FCB das Präsidium von Gigi Oeri übernommen.