Filmkritik: «Iron Sky»: Die Welt ist schlecht – hoffentlich geht sie bald unter

Nr. 13 –

Politische Satire ist eine der tragenden Säulen der modernen Sciencefictionkultur. Doch so bitterböse wie mit dem Film «Iron Sky» des finnischen Regisseurs Timo Vuorensola ist sie schon lange nicht mehr gelungen.

Es beginnt im Weltall: Eine Raumkapsel setzt vorsichtig auf der Oberfläche des Mondes auf – ganz genau so, wie wir uns die Landung von Apollo 11 im Jahr 1969 vorstellen. Dann der Befehl von der Erde: «Lasst die Banner herunter.» Eine kurze Pause, dann die Nachfrage der Astronauten: «Müssen wir?» Die Banner fallen – die Fratze der US-Präsidentin, die der irren Republikanerin Sarah Palin aufs Haar gleicht, grinst den ZuschauerInnen entgegen, darunter der Slogan: «Yes she can.»

Nazis vom Mond

Die ersten Minuten der finnischen Komödie «Iron Sky» geben den Ton für die restlichen neunzig Minuten vor: Die PR-Mondmission soll nicht nur der US-Präsidentin (brillant: die neuseeländische Stand-up-Comedienne Stephanie Paul), die sich im Verlauf des Films zur ruchlosen Kriegstreiberin wandeln wird, die Wiederwahl sichern; sie dient auch dem Sammeln der geheimen Ressource Helium-3 – natürlich gegen den Willen der internationalen Gemeinschaft. Leider stolpert die Crew auf dem Mond dann über die letzte Basis der Nazis, die sich seit 1945 dort verbunkert haben und nun die Rückeroberung der Erde planen.

Wirr? Absolut. Die Handlung von «Iron Sky» kommt zeitweise auch so zusammengewürfelt daher wie die eines Broadwaymusicals. Was allerdings dem Genuss nicht im Geringsten schadet: Zu dicht sind die politischen Gags aneinandergereiht – etwa Nordkorea, das vom Rest der Welt nur ausgelacht wird, als es die heranströmende Flotte der Ufos als seine eigene ausgeben will; Finnland, das als einzige Nation der Welt dumm genug war, sich an internationale Rüstungsabkommen zu halten; und immer wieder die US-Politik: «Jeder Präsident, der in seiner ersten Amtszeit einen Krieg anzettelt, wird wiedergewählt.» Und: «Nazis? Das waren doch die Einzigen, die wir jemals in einem fairen Kampf besiegt haben.»

Die Idee von Nazis auf dem Mond stammt übrigens von jenem Autor, der vielen als eigentlicher Urvater der politischen Sciencefictionsatire gilt: Der US-Schriftsteller Robert A. Heinlein schrieb bereits 1947 in seinem Roman «Rocket Ship Galileo» von einer letzten Nazibasis auf dem Mond. Seit den fünfziger Jahren gehören Naziufos (vom Mond oder aber von «geheimen» Basen in der Antarktis) zum Inventar nicht nur in der Fiktion, sondern auch in so mancher Verschwörungstheorie. So erstaunt es nicht, dass die Heinlein-Verfilmung «Starship Troopers» 1997 unter Regie des Holländers Paul Verhoeven die Messlatte für politische Satire in Sciencefictionfilmen noch einmal höher legte. Das bitterböse Antikriegsplädoyer – erzählt in doppelbödiger Propagandarhetorik und mit einer bunten Palette an B-SchauspielerInnen – floppte zwar an den Kinokassen, ist aber unter Fans des Genres Kult.

Im Unterschied zu «Starship Troopers» steckt hinter «Iron Sky» nicht die Produktionsmaschine Hollywoods. Der Film wurde bereits vor sechs Jahren mit einem ersten Trailer über Youtube beworben und damals von vielen als Fälschung abgetan. Dann scharte das Produktionsteam um den finnischen Jungregisseur Timo Vuorensola eine riesige Internetcommunity um sich, die in allen möglichen Bereichen der Produktion, vom Art Design bis zur Finanzierung, eine wichtige Rolle spielen durfte. Zehn Prozent des Budgets von siebeneinhalb Millionen Euro kamen so zusammen. Auch dass der Film – insbesondere auf der grafisch-visuellen Ebene – Hollywoodblockbuster, die zwanzigmal so viel gekostet haben, locker stehen lässt, war nur möglich, weil ein paar der besten finnischen Computerdesigner zu ebenjener Gemeinschaft gehörten.

Kompromisslos bis zum Ende

Auch sonst spielt «Iron Sky» in einer anderen Liga als seine US-Vorbilder. Zwar ist die Produktion ebenfalls mit B-DarstellerInnen bestückt (mit Ausnahme der Horrorfilmlegende Udo Kier, dem «lustigen Mann mit den abgefuckten Augen», wie es die Metal-Band Korn einmal formulierte). Doch während «Starship Troopers» genügend nah am Mainstream daherkam, dass er als ganz «normaler» Actionfilm gelesen werden konnte, lässt «Iron Sky» kaum Platz für andere Interpretationen als: Die Welt ist schlecht – hoffentlich geht sie bald unter …

Unterstrichen wird das noch vom episch-düsteren Soundtrack des slowenischen Künstlerkollektivs Laibach – einer Band, die ihren Fans als «Rammstein für Erwachsene» gilt. Das geht genügend unter die Haut, sodass nachher auch niemand behaupten kann, es sei grundsätzlich daneben, Komödien über Nazis zu drehen. Denn spätestens beim kompromisslosen Schluss bleibt einem das Lachen doch kurz im Halse stecken.

Iron Sky. Ab 5. April 2012 in Deutschschweizer Kinos. Regie: Timo Vuorensola. Finnland 2012