Porträt: «Mein Cap steht für die Jugend»
Der Berner Stadtrat Halua Pinto de Magalhães ist am letzten Wochenende zum neuen Ko-Präsidenten der Second@s Plus gewählt worden. Neben einer offenen und toleranten Schweiz will der Chemiker in Zukunft auch die Berner Energiewende anstreben.
Sucht man den Namen «Halua Pinto de Magalhães» im Schweizer Medienarchiv, steht dort vor allem eines: dass er in einer Nacht in der Berner Propeller-Bar mal einem eine runtergehauen hat. Es war dunkel, es war ein Versehen, es war spät, und der junge Berner, seit zwei Jahren SP-Stadtparlamentarier, der so ganz und gar nicht wirkt wie ein Schläger, hat sich längst entschuldigt. Dabei gäbe es über den 25-jährigen ETH-Doktoranden in theoretischer Chemie auch durchaus Taghelles zu berichten: Er hat in den letzten fünf Jahren mitgeholfen, die Berner Juso aus dem Tiefschlaf zu holen. Er hat 2008 die Berner Sektion der Second@s Plus Schweiz mitgegründet, jenes Vereins, der seit zehn Jahren allen eine politische Stimme geben will, die ihre Wurzeln nicht nur in der Schweiz haben. Über 500 Mitglieder zählt dieser heute. Am letzten Samstag schliesslich haben die Second@s den Sohn einer Schweizerin und eines Moçambiquaners an ihrer Generalversammlung zusammen mit der jungen Thurgauer SP-Politikerin Ekin Ylmaz ins Ko-Präsidium gewählt.
Im Berner Stadtrat engagiert sich Pinto de Magalhães zurzeit vor allem in der Energiepolitik: Zusammen mit SP-KollegInnen forderte er dort jüngst in zwei Vorstössen ein verstärktes Engagement der Stadt Bern für eine dezentrale Energieversorgung. Will die Hauptstadt wirklich bis 2039 aus der Atomenergie aussteigen und die 2000-Watt-Gesellschaft umsetzen, geht das für Pinto de Magalhães nur über sogenannte Energiepools: Geschäfts- und Wohnhäuser sollen dabei zu Verbünden werden, die gemeinsam Strom für die Quartiere produzieren und verteilen. Überschüssige Energie am einen Ort kann so an einen anderen fliessen, wo gerade welche fehlt. Pinto de Magalhães will dazu im Berner Lorrainequartier eine Pilotstudie unter praktischen Bedingungen starten. Bei den Energiepools gehe es auch um ein neues Bewusstsein: «Wenn du überschüssige Energie hast, kannst du die mit deinen Nachbarn teilen, das ist energieeffizienter und auch ökonomisch sinnvoll», sagt der ehemalige Juso, der jüngst zur SP übergetreten ist.
Eigentlich nur «ein halber Secondo»
In Bern kennt man Pinto de Magalhães allerdings noch nicht so sehr als visionären Energiepolitiker. Sondern mehr als «Chäpplibueb», wie «Der Bund» einmal schrieb: Das Haupt des Hip-Hop-Fans und Verehrers des New Yorker Wu-Tang Clan ziert stets ein Baseballcap der Yankees. Als ihn an seinem ersten Tag im Rat ein SVPler aufforderte, seine Mütze abzunehmen, weigerte er sich. Denn die Mütze ist für den Stadtberner aus dem Vielvölkerquartier Holligen auch ein Symbol: «Mein Cap steht für die Jugend, für die Berner Afrodiaspora, für viele Menschen, die in der Politik schlecht vertreten sind.» Halua Pinto de Magalhães will Normalitäten infrage stellen. Dass man damit auffällt, findet er nur logisch und zitiert den Wu-Tang-Rapper Inspectah Deck: «Leave it up to me while I be living proof to kick the truth to the young black youth.»
Eigentlich ist Pinto de Magalhães aber nur ein «halber Secondo», wie er sagt: «Die richtigen Secondos müssen noch viel höhere Hürden überwinden, als ich es musste. Ich hatte es nicht oberhart.» So richtig zum Secondo habe ihn erst die Rechte gemacht: «Beim Ausländerbashing der SVP habe ich mich immer mitgemeint gefühlt.»
Ein typischer Berner
Halua Pinto de Magalhães erzählt von seiner Kindheit in Holligen, vom Fussballquartierklub, wo die Jugendlichen mit Schweizer Eltern immer in der Minderheit waren, und von der Schule, wo alle von überall her kamen: «Das war sehr cool, und das unterscheidet uns vielleicht von den Secondos früherer Generationen: Die waren in der Minderheit, hatten es schwer zu bestehen, mussten sich beweisen. In Holligen waren wir normal und deshalb auch selbstbewusst.»
Für den neuen Ko-Präsidenten von Second@s Plus macht dies auch den Geist der Bewegung aus, an deren Spitze er jetzt steht: fremde Wurzeln als Selbstverständlichkeit. «Ventilklauseln, Kontingente, was weiss ich – an der Migration an sich wird das nichts ändern, das wäre ein völlig illusorisches Denken.» Für Pinto de Magalhães gibt es zwei Wege, mit den heutigen Realitäten umzugehen: Der eine führt ins Ghetto, zu Plünderungen, Gewalt und brennenden Städten wie in den letzten Jahren in Paris oder London. Der andere geht über gerechte Bildungschancen für alle, erleichterte Einbürgerungen, Stimm- und Wahlrecht auch ohne Schweizer Pass. Es ist der Weg von Second@s Plus. Und Pinto de Magalhães findet trotz allem, dass es der leichtere Weg ist. Nun will er diesen Weg als neuer Ko-Präsident weitergehen. Nicht als Anführer, wie er betont, sondern als Interessenvertreter und Koordinator: «Als typischer Berner eben.»