Kommentar: Mercks Absaugermethoden
Neun Wochen dauert der Kampf bei Merck Serono in Genf bereits an. Bisher ohne Erfolg. Am letzten Dienstag gab die Konzernleitung bekannt, die Schliessung sei definitiv. Sie karrte aus Deutschland Sicherheitspersonal an, untersagte Aktionen auf dem Gelände, schickte Spitzel mit Fotoapparaten los. Darauf besetzten die Angestellten den Eingang. Am Mittwoch traten sie in einen unbefristeten Streik.
Mit dem Streik soll die Konzernleitung zum Verhandeln gezwungen werden, und die politischen Behörden sollen im Konflikt vermitteln. Ein besserer Sozialplan muss her, und der von Merck versprochene Fonds, aus dem ein Biotechinstitut finanziert werden könnte, muss aufgestockt werden. Je mehr Gelder von privater und öffentlicher Hand in diesen Fonds fliessen, desto mehr Arbeitsplätze und Know-how werden gerettet. Know-how, das es in dieser Form europaweit ausschliesslich in Genf gibt.
Die Idee des Instituts stammt vom Personal selbst. Die Behörden unterstützen sie. Nur die Merck-Direktion war sich bisher zu schade, an den Gesprächen teilzunehmen. Sie habe sich von Beginn an «arrogant, respektlos und verantwortungslos» gezeigt, sagt man im Betrieb. Damit schnitt sich die Firma ins eigene Fleisch: Merck hoffte, rund 600 Angestellte nach Darmstadt oder Boston transferieren zu können, um deren kostbare Kompetenzen zu sichern. Doch nur knapp zehn Prozent der Mitarbeitenden wollen überhaupt noch bei Merck arbeiten, heisst es.
Jahrelang hat Merck Serono Steuergeschenke eingestrichen, ohne sich zu Gegenleistungen, wie etwa dem Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrags oder Arbeitsplatzgarantien, zu verpflichten. Solange die Politik Wirtschaftsförderung allein mithilfe von bedingungslosen Steuergeschenken betreibt, wird es weiterhin multinationale Unternehmen geben, die Firmen aufkaufen, lokales Know-how absaugen und den Standort schliesslich dichtmachen.
Wie kann die Stellung der Angestellten bei Massenentlassungen gestärkt werden? Mit einer staatlichen Kontrollinstanz? Mit Strafsteuern? Diese Debatte muss kommen. Doch zuerst kommt der Kampf um den Sozialplan und das Biotechinstitut. Wenn die politischen Verantwortlichen hier versagen, gehört die Zukunft den Vampiren.