Durch den Monat mit José B. Maluenda (1): Wie verständigten Sie sich mit den Menschen in Döttingen?
Als er als junger Metallarbeiter aus Madrid in die Schweiz kam, konnte er fast kein Wort Deutsch. Heute ist José B. Maluenda pensioniert und unterstützt Spanisch sprechende SeniorInnen in ihrem Alltag in der Schweiz.
WOZ: Wie war das 1962, als Sie in die Schweiz kamen?
José B. Maluenda: In Genf wurden wir zuerst in einem Migrationsbüro medizinisch untersucht und dann Kantonen zugeteilt. Ich landete im Aargau.
Im Aargau?
Dort gab es grossen Bedarf an Arbeitern für die Metallbranche. Zuvor hatte ich in Madrid zehn Jahre in der Metallindustrie gearbeitet. So kam ich zur Zschokke AG, einer Firma für Tief-, Maschinen- und Apparatebau. In Döttingen fand ich mithilfe des Betriebs eine Wohnung, die ich zunächst mit einer spanischen Familie teilte.
Warum wanderten Sie aus?
Ich war noch jung und wollte etwas Neues kennenlernen.
Aus der spanischen Metropole direkt in ein Schweizer Dorf …
Gut, konnte meine Frau bald nachreisen. Wir waren gerade frisch verheiratet. Aber insgesamt habe ich mich schnell akklimatisiert. Immerhin lebten einige Italiener im Dorf, mit denen ich mich von Anfang an gut verständigen konnte.
Wie kommunizierten Sie mit den Einheimischen?
Zuerst mit Händen und Füssen. Insgesamt wurde es mir nicht schwer gemacht – ich hatte gute Kollegen, auch unter Schweizern. Der Betrieb unterstützte mich in meiner Weiterbildung zum Elektroschweisser und bot mir später eine bessere Stelle an. 1975 ging ich als Betriebsschlosser zur Merker AG in Baden, einer Firma für Geschirrwaschmaschinen. Nachdem der Betrieb geschlossen wurde, arbeitete ich bis zur Pensionierung 2002 bei der Egro AG in Niederrohrdorf. Dazwischen war ich bei der Rapid AG in Dietlikon als Monteur von Landwirtschaftsmaschinen. Die Vielfalt des Landes lernte ich als Servicemonteur für Küchenchromstahlplatten kennen: Ich war im ganzen Land unterwegs – davon profitiere ich nun als landesweiter Koordinator des Projekts ¡Adentro! für ältere Spanisch sprechende Migranten.
Sie wollten nie nach Spanien zurück?
Ich habe mich hier eingelebt. Und 1982, als wir nach Zürich in den Kreis 5 zügelten, atmete ich endlich wieder Stadtluft und habe mich im Quartier engagiert. So sass ich in einer Ausländerkommission für die Primarschule.
Und wann kam die Beschäftigung mit dem Älterwerden in der Fremde?
Die Sozialarbeit hat mich schon vor meiner Pensionierung interessiert. So habe ich früh schon am Projekt ¡Adentro! teilgenommen und mich zum Multiplikator ausbilden lassen …
Multiplikator?
Die Multiplikation besteht darin, dass Spanisch sprechende Seniorinnen und Senioren andere Spanisch sprechende ältere Migrantinnen und Migranten darin schulen, ihre Anliegen selbst in die Hand zu nehmen und sich aktiv in Kultur, Politik, Bildung, Gesundheit und Freizeit einzumischen.
Wie kam es zu diesem Projekt?
¡Adentro! ging aus spanischen Elternvereinen in Deutschland hervor, für Spanier in den Sechzigern und Siebzigern das wichtigste Emigrationsland. Grösste Hürde war die Sprache. Das verschärfte sich mit dem Bemühen der Eltern, ihren Kindern in der Schule zu helfen und zugleich Unterricht in der Muttersprache zu ermöglichen. Als die Mitglieder immer älter wurden, drängte sich zudem die Frage auf: Was macht man in der dritten Lebensphase in der Migration? 1992 entschlossen sich der Bund der spanischen Elternvereine in Deutschland, das Deutsche Rote Kreuz und die Spanische Weiterbildungsakademie, in einem Pionierprojekt die Lebensbedingungen Spanisch sprechender älterer Immigranten zu erkunden und Massnahmen der Seniorenhilfe zu entwickeln.
Adentro bedeutet «herein» …
Ja. Oder als Befehl auch «Hinein!» …
Ein Aufruf zur gesellschaftlichen Teilnahme …
Ja! Das Projekt weitete sich auf die Schweiz, Frankreich und Belgien aus. In der Schweiz gibt es jetzt Aktivitäten in rund zwanzig Städten – von Lugano bis Basel, von Genf bis Rorschach. Seit 2000 gehört ¡Adentro! dem Dachverband der Spanischen Vereine in der Schweiz an.
Und was spielten Sie dabei für eine Rolle?
Neben der praktischen Sozialarbeit wuchs ich in organisatorische Funktionen hinein. 1999 wurde ich zweiter Vorsitzender des europäischen Dachverbands der spanischen Elternvereine. Seit 2000 bin ich Koordinator für alle Projekte in der Schweiz.
Und das alles leisten Sie ehrenamtlich?
Ja. Die Gelder, die wir für unser Projekt von Anfang an vom spanischen Ministerium für Arbeit und Soziales erhalten haben, sind einzig für die Infrastruktur. Weil nun aber der spanische Staat so brutal spart, müssen wir kommendes Jahr erstmals ohne die Unterstützung aus Madrid auskommen. Umso wichtiger sind nun die Beiträge von Kantonen, Gemeinden, Stiftungen und Organisationen wie Caritas oder dem Roten Kreuz in der Schweiz.
José B. Maluenda (75) wurde 1937 in Madrid geboren. 1962 kam er in die Schweiz. Seit seiner Pensionierung engagiert er sich von Zürich aus als ehrenamtlicher Koordinator und Kursleiter im Projekt ¡Adentro! zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Spanisch sprechenden MigrantInnen der ersten Generation.