Porträt: Das ganze Spektrum weiblichen Lebens

Nr. 31 –

Sie hat Mädchen und Frauen während vieler Jahre durch ihre Hochs und Tiefs begleitet und mitgeholfen, nachhaltige feministische Impulse im Gesundheitswesen zu setzen. Jetzt schliesst die Basler Frauenärztin Christine Planta nach 35 Berufsjahren ihre Praxis.

Die Basler Frauenärztin Christine Planta: «Woher mein Ansatz als Gynäkologin kommt?
 Ich war 1968 einfach zwanzig.»

Christine Planta hat, was eine gute Frauenärztin braucht. Sie arbeitet seit 35 Jahren in ihrem Beruf und hat ihr Metier immer als Projekt der Frauenemanzipation begriffen. «Ich begleite nicht nur den Körper der Patientin, sondern das ganze Spektrum weiblichen Lebens.» Woher ihr Ansatz als Gynäkologin komme? «Ich war 1968 einfach zwanzig.»

Planta hat zwei erwachsene Kinder und lebt im Basler St.-Johann-Quartier. Sie stammt aus einer liberalen Basler Familie. Ihr Vater wurde Verwalter der reformierten Kirche, ihre Mutter kam aus einer Unternehmer- und Professorenfamilie.

Ohne gynäkologischen Stuhl

1974 schloss sie ihr Studium in Basel ab. Während ihres Assistenzjahres in der Poliklinik des Frauenspitals wurde für sie klar, dass sie in Zukunft als Frauenärztin im ambulanten Bereich arbeiten wollte. Planta, damals in der Organisation für die Sache der Frau (Ofra) und in den Progressiven Organisationen Schweiz (Poch) aktiv, baute die 1980 eröffnete Genossenschaft Gruppenpraxis Paradies in Binningen mit auf, die bis heute existiert. «Es ging zunächst mal darum, die Bedürfnisse der Frauen aufzunehmen und nicht einfach ein fertiges Konzept aufzutischen», so Planta. Bei der Verhütung bedeutete dies etwa hormonfreie Methoden statt Antibabypille. Aber auch das Atmosphärische spielte eine Rolle: Wer Planta zum jährlichen Check-up in Birsfelden besuchte, wo sie seit 1987 ihre eigene Praxis hatte, betrat ein in die Jahre gekommenes Altbauwohnhaus und keinen gestylten Neubaukomplex. Die Untersuchung fand auf einem ganz normalen Bett statt und nicht auf einem gynäkologischen Stuhl. Und das Spekulum durfte frau selber einführen.

Plantas Sprechzimmer war auch ein Ort, wo Frauen Verständnis fanden, wenn ihr Leben durcheinandergeraten war; wo sie neue und alte Rollenbilder und Familienmuster reflektieren konnten. «Wichtig war, das weibliche Selbstvertrauen zu stärken», sagt Planta, die eine Zusatzausbildung in Psychosomatik hat. Ob sanfte Geburt oder Hausgeburt, Homöopathie im Gebärsaal oder freies Stillen: Was heute selbstverständlich in Anspruch genommen wird und auch zum Angebot der grossen Spitäler gehört, sind für Planta Errungenschaften der Frauenbewegung. Ohne deren Zutun gäbe es heute auch keine Patientenorganisationen und Ombudsleute an Spitälern, ist sie überzeugt.

Die Folgen der Ohrfeige

Doch es war ein zähes Ringen. Der Schwangerschaftsabbruch sei bis zur Einführung der Fristenlösung vor zehn Jahren eine «demütigende psychiatrische Indikationenlösung bei grundsätzlicher Strafbarkeit» gewesen, erzählt sie. Die Zulassung der Abtreibungspille sei lange verhindert worden: «Auch hier fanden die Ansprüche von Frauen viel zu lange kein Gehör in Politik und Gesellschaft.» Bis zum Zeitpunkt, an dem es in Plantas Augen einen Paradigmenwechsel gab: 1991 hiessen die Stimmberechtigten in Basel-Stadt ein parlamentarisch vorbereitetes Reproduktionsgesetz mit Verbot von In-vitro-Befruchtung und Embryonenforschung gut. Eine «schallende Ohrfeige für das Forschungsestablishment» sei das gewesen. Das Resultat habe auch die Frauen politisch enorm gestärkt, findet Planta, die selber nichts dagegen hat, wenn unfruchtbaren Paaren oder Frauen geholfen wird, damit sie Kinder bekommen können: «Doch hätte es diese Ohrfeige in dem liberalen Universitätskanton nicht gegeben, würden wir wohl heute noch auf Fristenlösung und Mutterschaftsversicherung warten.»

Planta hat miterlebt, wie junge Frauen bis in die Achtziger den «natürlichen» und danach vermehrt den «konstruierbaren» Körper suchten. Letzteres sei zwar ein Zeichen von Autonomie, andererseits stehe es für den «Rückzug auf die eigene Haut im Zeitgeist von Ich-AGs». Den Prozess von der sozialen Utopie zur individuellen Lebensplanung in ungesicherten Arbeitsverhältnissen habe sie immer kritisch beobachtet.

Nun freut sie sich auf das Leben nach dem erwerbsfähigen Alter, obschon sie es schade findet, dass sie für ihre Praxis keine Nachfolgerin gefunden hat. Dies sei nicht ungewöhnlich und auf die allgemeine Verunsicherung im Arztberuf zurückzuführen. Im Gesundheitsbereich sei eine schleichende Entsolidarisierung und Bürokratisierung im Gang, sagt Christine Planta. «Immer mehr Leute sind in medizinfernen Tätigkeiten beschäftigt, und wichtige Grundversicherungsgarantien sind in Gefahr. Das alles», so die Basler Frauenärztin, «ermutigt junge Leute nicht, eine Praxis zu eröffnen.»