Kommentar – Schweiz liefert Flüchtling aus: Ein feiger Entscheid

Nr. 45 –

Die Schweizer Behörden haben den Kurden Metin Aydin (34) am 1. November an Deutschland ausgeliefert. Deutschland wirft dem in Frankreich anerkannten Flüchtling vor, er habe in Deutschland seit 2008 als führendes Kader der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Mitglieder angeworben. Die PKK gilt in der EU, anders als in der Schweiz, als terroristische Organisation.

Aydin bestreitet die Vorwürfe. Grenzwächter verhafteten ihn letzten Sommer im Zug von Biel nach Zürich. Seither sass er in U-Haft – die letzten 54 Tage befand er sich aus Solidarität zusammen mit mehreren Hundert politischen Gefangenen in der Türkei im Hungerstreik und ist gesundheitlich geschwächt.

Auch nach Entmachtung des Militärs hat sich unter der AKP-Regierung in der Kurdenfrage, abgesehen von einigen kosmetischen Korrekturen, nichts zum Besseren gewendet. Hunderte Journalistinnen, kurdische Bürgermeister, GewerkschafterInnen und Kader der legalen kurdischen Partei BDP landeten unter fragwürdigen Umständen im Gefängnis. Die Regierung führt einen Krieg gegen die grösste ethnische Minderheit im Land. Das weiss die EU, das weiss die offizielle Schweiz. Man mag zur PKK stehen, wie man will – im wirtschaftlich verheerten Südosten der Türkei ist der Rückhalt für die PKK in Teilen der Bevölkerung gerade wegen der AKP-Politik da. Sind all diese Menschen TerroristInnen?

Ob Aydin PKK -Mitglied ist oder nicht – eine gefährliche Straftat für die europäische Gesellschaft ist die Anwerbung von PKK-Mitgliedern nicht. Dass die Schweiz diesen geschwächten Mann nun an einen Staat ausliefert, der sich mit angeblichen PKK-AktivistInnen akribisch befasst, während er mit den eigenen mordenden Neonazis nicht fertig wird, ist skandalös.

Formal lief offenbar alles korrekt ab. Dahinter können sich die Schweizer Behörden verstecken. Politisch ist es ein feiger Entscheid – gegen einen politisch Verfolgten. So sahen es am Tag der Auslieferung auch rund siebzig friedliche DemonstrantInnen in Zürich, die zum Bezirksgericht unterwegs waren, wo Aydins Auslieferung beschlossen worden war. Ein Augenzeuge berichtete, dass die Polizei die Demo einkesselte – und schliesslich aus kurzer Entfernung mit Gummischrot beschoss. Gewalt auch hier als Antwort auf eine politische Demonstration.