Durch den Monat mit Karl Lüönd (4): Warum kaufen sich Milliardäre Zeitungen?

Nr. 47 –

Karl Lüönd war als «Blick»-Journalist auch Nachrichtenjäger. Weshalb er bestens mit glühenden Maoisten zusammenarbeitete, er der «Weltwoche» einige gescheite Linke wünscht und wieso er für die Medienbranche nicht schwarzsieht.

Karl Lüönd mit einem Bild des Berner Künstlers Rudolf Mumprecht: «Die Zeitung als Tribüne einer bestimmten Weltanschauung ist ein Denkmuster aus dem 19. Jahrhundert.»

WOZ: Herr Lüönd, seit Jahrzehnten behaupten Bürgerliche, die Medien seien links unterwandert. Das ist doch ein schlechter Witz.
Karl Lüönd: Das ist eine Tatsache. Verlässliche Studien belegen es.

Dann unterdrücken diese Journalistinnen und Journalisten ihre Haltung gekonnt. In den Medien bildet sich das kaum ab.
Ach, diese Frage ist gar nicht so wichtig. Erfüllen Medienleute die professionellen Standards, spielt die Ideologie eine untergeordnete Rolle, zumal im Nachrichtengeschäft. Beim Faktenjournalismus können mir Ideologien gestohlen bleiben. Die wesentlichen Fragen lauten: Stimmt es, und interessiert es die Leute?

Wie stehen Sie zu linken Medienleuten?
Ich habe mit glühenden Maoisten bestens zusammengearbeitet, weil sie gute Profis waren. Beim Recherchieren und bei der Nachrichtenbehandlung ist jemand fähig und integer oder eben nicht. Ob eine Journalistin marxistisch, nationalistisch, katholisch oder protestantisch ist, ist unerheblich. Ideologische Qualifikation ist kein Kriterium für diesen Beruf.

Wie haben Sie als Chef Ihr Personal ausgewählt?
Ich habe auf Professionalität und vor allem auf einen guten Mix in der Redaktion geachtet, auf unterschiedliche Aromen und Farben im Team – es braucht Linke und Rechte, Frauen und Männer, Alte und Junge.

Die Medien transportieren aber nicht bloss Nachrichten. Die linke Unterwanderung der Medien bleibt ein Dauerthema von rechts.
Es gibt Beispiele. Dass der «Tagi» links gesteuert ist, ist klar. Das lässt sich an den Themen und an der Kommentierung ablesen. Marx sagt: Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Diese Leute können nicht aus ihrer Haut fahren, die stellen halt die Fragen, die ihnen wichtig sind. Daher nochmal: Der Mix im Team ist wichtig.

Sie loben die «Weltwoche» als intelligent argumentierendes Blatt. Dort arbeiten keine Maoisten.
Der «Weltwoche» würden gescheite WOZ-Leute guttun, zum Beispiel. Es gibt auch einige intelligente Rechte. Wenige, aber es gibt sie. Roger Köppel ist ein intelligenter Kopf. Er sagt sich wahrscheinlich: Leg dich quer, dann bist du wer. Dieses Rezept hat bisher leidlich funktioniert. Die WOZ funktioniert manchmal nach demselben Prinzip. Dann ist sie am interessantesten. Die «Weltwoche» ist zudem eine sensationell starke Marke, ein Blatt mit einer langen Geschichte. Für diesen Titel wurden schon mal fünfzig Millionen Franken geboten.

Was ist eigentlich Ihre persönliche journalistische Haltung?
Ich bin kritisch und bemühe mich deshalb auch um eine selbstkritische Haltung. Damit wird man offener. Andere könnten eventuell auch recht haben. Ich bin bürgerlich, aber bei Umwelt- und Asylthemen deckt sich meine Sicht häufig mit jener der Linken.

Die Rechten glauben offensichtlich an einen entscheidenden Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung. Blocher und Tettamanti haben beim «Weltwoche»-Deal mitgemischt, jetzt haben sie die «Basler Zeitung» gekauft und einen Nationalisten als Chefredaktor eingesetzt.
Was Markus Somm betrifft, würde ich sagen: einen Patrioten. Aber ich verstehe in der Tat nicht, weshalb reiche Leute in ideologische Projekte investieren. Weshalb Herr Blocher nach seinen misslichen Erfahrungen beim «Bündner Tagblatt» wieder so viel Geld in ein Medienabenteuer reinbuttert, ist mir rätselhaft. Mag sein, dass er ein gutes Geschäft mit den Liegenschaften wittert. Aber die Zeitung als Tribüne einer bestimmten Weltanschauung ist ein Denkmuster aus dem 19. Jahrhundert. Das Publikum ist heute gebildeter, hat mehr von der Welt gesehen und ist im Durchschnitt viel höher qualifiziert. Im erwähnten Denkmuster betrachtet man das Publikum als lenkbar durch Medien. Das bestreite ich. Ich behaupte, die Menschen brauchen die Zeitung nicht mehr zur Ideologiebildung, sondern als Dienstleistungs- und Versorgungsbetrieb, wie das Wasser- oder das Elektrizitätswerk.

Die Medienbranche schlittert seit einigen Jahren von einer Krise in die nächste. Sehen Sie schwarz für ihre Zukunft?
Bin ich Optimist, bin ich Pessimist? Ein Pessimist ist bekanntlich ein Optimist, der nachgedacht hat. Nein, ich sehe nicht schwarz. Die Geschäftsbasis ist intakt: Die Welt ist kompliziert und braucht Erklärung, das leistet guter Journalismus, ob auf Papier oder online. Die Branche ist in einem Transformationsprozess. Die sinkenden Auflagen der Printmedien sind nicht zum Nennwert zu nehmen, denn darin sind jene Abonnenten noch nicht erfasst, die die digitalen Angebote der Medienhäuser nutzen. Wir haben die Transformation von einer handwerklichen in eine industrielle Kultur bewältigt, jetzt sind wir auf dem Weg in eine digitale Kultur. Was dabei herauskommt, zeichnet sich noch nicht klar ab. Aber es gibt eine Zukunft, auch wenn der Medienmarkt ein reifer und gesättigter Markt ist. Optimistisch stimmt mich zudem, dass die Journalistinnen und Journalisten heute besser ausgebildet sind, sie sind weltläufiger und sprachgewandter. Als ich 1974 zum «Blick» stiess, beherrschten in der Nachrichtenredaktion längst nicht alle Englisch.

Karl Lüönd (67) sass in der Chefredaktion des «Blicks», später wurde er Chefredaktor des «Züri Leus», dann der «Züri Woche».