«Das bessere Leben ist anderswo»: Vom Schicksal, vom Zufall und von den Möglichkeiten des Lebens

Nr. 4 –

Während neun Jahren hat der Filmemacher Rolando Colla drei Personen begleitet. Entstanden ist mit «Das bessere Leben ist anderswo» ein berührender Dokumentarfilm über Hoffnung, Sehnsucht und das Leben.

Es ist im Grunde nur eine einzige Frage, die der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Rolando Colla in «Das bessere Leben ist anderswo» stellt: «Was bestimmt unser Leben – wir selbst, das Schicksal oder der Zufall?» Für die Suche nach einer Antwort hat er in einer eindrücklichen Langzeitbeobachtung den Lebensweg von drei Personen aus drei Ländern begleitet, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Der Film beginnt mit Enver, einem Kleinbauern und Schafhirten im bosnischen Hochland, leitet über zu Emilio, einem kubanischen Psychologen, und zeigt schliesslich Andrea, alleinerziehende Mutter und Krankenpflegerin aus dem Kanton Zürich. Allen fällt zu Beginn die Decke auf den Kopf. Sie fühlen sich einsam, die Stimmung ist düster. Enver wünscht sich mehr Nähe zu seiner Familie, Emilio eine Freundin, auch die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, und Andrea irgendeine Flucht aus der mentalen Enge der sauberen, sicheren Schweiz.

Man kann es Sehnsucht nennen, Neugierde auf andere Welten oder einfach den Wunsch nach Zweisamkeit, was Regisseur Colla in seinem Dokumentarfilm präsentiert. Während neun Jahren hat er die drei ProtagonistInnen immer wieder besucht und zeigt sie bei der Arbeit, zu Hause oder unterwegs. Mit zunehmender Vertrautheit vermag Colla zudem das Umfeld von Enver, Emilio und Andrea einzubinden und lässt auch die neu gefundenen PartnerInnen oder die zurückgekehrte Familie zu Wort kommen. 

Colla hat es sich nicht einfach gemacht, auch wenn die Dramaturgie auf den ersten Blick simpel wirkt, da der Film über weite Strecken nach demselben Muster funktioniert. Doch es steckt viel verborgene Psychologie in der Auswahl der Szenen, in denen die ProtagonistInnen mit einer atemberaubenden Offenheit ihre Gedanken, Hoffnungen und Ängste preisgeben, ihr Privates öffnen und geballten Emotionen Luft verschaffen. Dabei vermeidet der Regisseur jede Form von Voyeurismus, wertet und kommentiert nicht und hält auch bei tragischen Ereignissen im Leben seiner InterviewpartnerInnen gekonnt die Balance.

Bereits in früheren Filmen wie dem brillanten Drama «L’autre moitié» (2007) über zwei sich entfremdete Brüder oder der teils bitterbösen Kurzfilmserie «Einspruch I–VI» über die tragischen Gesichter der Migration zeigte Colla eine grosse Affinität zu den Themen «Sehnsucht» und «Illusionen» – und wie sie sich an der Realität reiben. Stets sind es sein präziser Blick auf kleine Details und seine Unbefangenheit gegenüber einem unprätentiösen Alltag, die seine Filme packend und zutiefst menschlich machen. So auch in «Das bessere Leben ist anderswo»: Enver, Emilio und Andrea machen alle während des Films grosse Veränderungen durch – doch es liegt in der Natur der Sehnsucht, dass sie sich nicht stillen lässt. Das ist die Tragik des Menschen. Dass er es dennoch immer wieder versucht, die Sehnsucht zu stillen, bleibt seine Hoffnung. 

«Das bessere Leben ist anderswo». Regie: Rolando Colla, in: Solothurn, Konzertsaal, Di, 29. Januar 2013, 12 Uhr, und im Landhaus, Do, 31. Januar 2013, 12 Uhr. Ab 31. Januar in den Kinos.