Kriegsmaterialgesetz und Banken: Hände weg vom Geschäften mit Atomwaffen

Nr. 23 –

Seit Februar ist es in der Schweiz verboten, Geld in Atomwaffenfirmen zu investieren. Ein lobenswertes Gesetz. Mit der Umsetzung hapert es allerdings, weil die Banken weiterhin Zulieferfirmen finanzieren dürfen.

Für einmal ist die Schweiz schneller als die andern Länder: Sie hat verboten, den Bau von Atombomben direkt oder indirekt mitzufinanzieren. So steht es im revidierten Kriegsmaterialgesetz (KMG), das am 1. Februar in Kraft getreten ist.

SP-Nationalrätin Evi Allemann wollte vom Bundesrat wissen, was das im Alltag bedeutet. Sie reichte eine Interpellation ein, in der sie auf den Report «Don’t Bank on the Bomb» verweist, der im März 2012 erschienen ist. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (Ican), die in Genf domiziliert ist, hat den Report verfasst. Darin sind die weltweit grössten Unternehmen aufgelistet, die an den Atombombenarsenalen Geld verdienen – aber auch jene, die sie finanzieren. Die Schweiz rangiert dabei auf Platz sieben. Zehn Finanzinstitute sind aufgeführt, unter anderem die Credit Suisse (CS) und die UBS, der Rückversicherer Swiss Re und Swisscanto.

Bund kontrolliert nicht «proaktiv»

Mitte Mai hat der Bundesrat die Interpellation von Allemann beantwortet und schreibt: «Das hauptsächlich für den Vollzug des KMG zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) diskutiert seit einiger Zeit mit Vertretern der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), des Bundesamtes für Justiz sowie des Departements für auswärtige Angelegenheiten die teilweise sehr komplexen Fragen zur Umsetzung des Finanzierungsverbots.» Die Behörden stünden mit der Bankiervereinigung, den Grossbanken sowie weiteren Finanzdienstleistern in Kontakt, «welche sich mit ihren Anliegen an das Seco gewandt haben». Man ist sich also bewusst, dass man illegale Papiere in den Büchern haben könnte. Der Bundesrat schreibt weiter, es würden gezielt Kontrollen durchgeführt, wenn die Behörden über Hinweise verfügten, dass ein Unternehmen gegen das KMG verstosse. Er hält aber auch fest: «Eine weiterreichende, systematische und proaktive Kontrolle wäre nur mit zusätzlichen finanziellen und personellen Ressourcen möglich.»

Für Andreas Nidecker, Radiologe aus Basel und Mitglied der Schweizer Sektion der Internationalen ÄrztInnen zur Verhütung eines Atomkriegs (IPPNW), ist es trotzdem ein Erfolg. Ican und IPPNW führen seit Monaten hinter den Kulissen mit Behörden und Banken Gespräche, um in diesem Thema vorwärtszukommen. Nidecker sagt: «Jetzt ist zumindest klar, dass die Finanzierung von Atomwaffen beziehungsweise Atomwaffenproduzenten verboten ist. Es freut mich enorm, dass sich die Schweiz nicht nur für die Ächtung der Atomwaffen und ein völkerrechtliches Kernwaffenverbot einsetzt, sondern dass nun auch Finanztransaktionen zwischen unseren Banken und Atomwaffenfirmen verboten sind.»

Schaut man den Ican-Bericht genau durch, haben die CS und die UBS im Frühjahr 2012 zahlreiche Papiere solcher Firmen gehalten – Aktien in der Höhe von etwa zwei Milliarden US-Dollar sowie weitere Wertpapiere wie Anleihen oder Obligationen von nochmals zwei Milliarden und Bankkredite von 300 Millionen Dollar. Es geht dabei etwa um Papiere von BAE Systems, einem britischen Unternehmen, das eine neue Generation von U-Booten baut, die mit Kernwaffen bestückt werden können, aber auch Atomraketen für die französische Airforce. Der Flugzeughersteller Boeing ist ebenfalls aufgeführt, weil der Konzern unter anderem die interkontinentalen Atomraketen der US-Armee unterhält.

Fragen zur «indirekten Finanzierung»

Was ist nun seit dem 1. Februar mit all diesen Beteiligungen geschehen? Die Grossbanken halten sich bedeckt. CS-Pressesprecherin Valeria Ancarani schreibt: «Die im Ican-Bericht unter ‹Credit Suisse› aufgeführten Aktienpositionen an Unternehmen hält eine Bank wie die Credit Suisse in der Regel nicht für sich selbst, sondern im Auftrag von Kunden.» Deshalb ist aus Optik der CS die Kundin dafür verantwortlich und nicht die Bank. Zu den einzelnen Firmen könne die CS «keine generelle Aussage machen, unter anderem, weil die aufgeführten Firmen Mischkonzerne sind». Tatsächlich hält die CS einen geringeren Teil der kritisierten Aktien. Der Grossteil in der Höhe von 1,7 Milliarden Dollar liegt bei der UBS.

Zu den einzelnen Firmen könne man – wegen des Bankgeheimnisses – nichts sagen, teilt die UBS-Pressesprecherin Eveline Müller-Eichenberger mit und schreibt: Die UBS habe bereits vor der Erweiterung des KMG das Thema restriktiv behandelt, es gebe entsprechende Richtlinien, «diese beinhalten, unter anderem, ein Verbot der Finanzierung von Entwicklung, Produktion und/oder Erwerb von Atomwaffen».

Klingt gut, doch so einfach sind die Grossbanken nicht entlastet. Denn die zentrale Frage bleibt: Was bedeutet eine indirekte Finanzierung von Atomwaffen? Die Finanzbranche definiert das wesentlich grosszügiger als Ican. Das lässt sich am Beispiel Swisscanto gut illustrieren. Das Gemeinschaftsunternehmen der Kantonalbanken hat die kritisierten Beteiligungen in jüngster Zeit zwar stark zurückgefahren, bei Rolls-Royce von einem Aktienanteil von 0,55 auf 0,005 Prozent und bei Safran von 0,63 auf 0,01 Prozent. Man habe das aber wegen der Anlagestrategie getan und nicht, weil man glaube, man verstosse gegen das KMG, wie Swisscanto-Sprecher Roman Kappeler ausführt. Er argumentiert: «Beide Unternehmen liefern Komponenten für Nuklearwaffen. Der Bau der Trägerrakete oder von Trägersystemen erfolgt durch andere Unternehmen. Eine Rakete wird erst mit einem Atomsprengkopf zur Atomwaffe.»

Safrans Tochterunternehmen Herakles liefere beispielsweise das Antriebssystem für die U-Boot-gestützte Interkontinentalrakete M51. Der Bau der M51-Rakete erfolge durch ein anderes Unternehmen. Die atomaren Sprengköpfe seien im Besitz des französischen Militärs: «Deshalb erachten wir Safran als Lieferanten und nicht als Hersteller von Atomwaffen.» Und zu Rolls-Royce schreibt Kappeler: «Die Gruppe liefert Nuklearantriebe für U-Boote des englischen Militärs. Dazu gehören auch U-Boote, die atomare Raketen abschiessen können. Die U-Boote werden von anderen Unternehmen gebaut. Deshalb erachten wir auch Rolls-Royce als Lieferanten und nicht als Hersteller von Atomwaffen.»

Nach Meinung von Ican müssten aber beide Firmen auf der Verbotsliste stehen, weil «beide Firmen eine tragende Rolle bei der Modernisierung der britischen respektive französischen Atomwaffen spielen».

Lücken in der Gesetzgebung

Bei Swiss Re klingt es ein bisschen anders. Man sei daran, die Umsetzung des neuen KMG so rasch wie möglich sicherzustellen, schreibt Pressesprecherin Brigitte Meier: «Wir prüfen zurzeit, welche Firmen durch den neuen Artikel 8c des revidierten Kriegsmaterialgesetzes (KMG) betroffen sind und für welche Wertschriften und anderen Anlageprodukte diese gelten.» Die von Ican erwähnten Firmen seien noch Teil des Swiss-Re-Investitionsportfolios, doch betrage «die Investitionssumme in beide Firmenkonglomerate signifikant weniger» als im Ican-Bericht angeführt (es geht um die US-Firmen Honeywell und General Dynamics). «Zu erwähnen ist», fügt Meier an, «dass diese Investitionen vor Inkrafttreten des Artikels 8c getätigt wurden.»

Müsste nicht das Seco aktiv werden und Strafanzeige erstatten? Schliesslich hat es durch den Ican-Bericht Kenntnis von den diversen Beteiligungen. Doch es geschieht nichts. Die Begründung von Seco-Sprecherin Antje Baertschi: Der Ican-Bericht sei im Frühjahr 2012 erschienen, das Gesetz erst seit 2013 in Kraft. Baertschi weiter: «Angesichts der rechtlichen Ausgangslage kann aufgrund der Tatsache, dass ein Schweizer Unternehmen in eine Firma investiert, die an der Entwicklung oder der Herstellung von in der Schweiz verbotenem Kriegsmaterial beteiligt ist, noch nicht auf eine Widerhandlung gegen das KMG geschlossen werden.»

Die Kontakte mit den verschiedenen Finanzinstituten hätten zudem gezeigt, dass sie ihre «Geschäftspraktiken aufgrund der in Aussicht gestellten Gesetzesanpassungen anpassen beziehungsweise angepasst haben».

«Es gibt Lücken in der Schweizer Gesetzgebung», sagt Arielle Denis, Direktorin der Ican-Kampagne: «Das KMG definiert keine Kriterien, die es erlauben, in Kernwaffengeschäfte involvierte Firmen klar zu identifizieren. Zudem verbietet das KMG eben nur die indirekte Finanzierung, wenn es dabei gezielt darum geht, die direkte Finanzierung zu umgehen. Auch ist offen, wie und wann das Gesetz wirklich umgesetzt wird.» Aber immerhin, so lobt Arielle Denis, sei die Schweiz das erste Land, das direkte Investitionen in die Atomwaffenindustrie gesetzlich verboten habe.

Jetzt geht es also darum, dafür zu sorgen, dass das Gesetz im besten Sinn und Geist umgesetzt wird. Ican wird im September einen aktualisierten Report publizieren, dann wird man sehen, was sich in der Schweiz getan hat.