Ecuador: Mit Vorsicht gegen die Übermacht

Nr. 26 –

Präsident Rafael Correa hat mit seiner Methode des Drohens und Zurückweichens aus Ecuador einen Hort der Stabilität gemacht. Das Land ist deshalb auch für Asylsuchende interessant.

Rafael Correa sitzt fest im Sattel. Erst im Februar wurde er mit 57 Prozent der Stimmen zum dritten Mal zum Präsidenten von Ecuador gewählt. Das Land erlebt unter seiner Herrschaft eine Periode ungewöhnlicher politischer Stabilität: Von den sieben Präsidenten vor ihm schaffte es keiner, eine ganze Legislaturperiode im Amt zu bleiben.

Correa kam nur einmal kurz ins Straucheln. Das war im September 2010, als ein militanter Streik von Polizeikräften einen Tag lang in den dilettantischen Versuch eines Staatsstreichs ausartete. Seither herrscht Ruhe, und niemand zweifelt, dass der Fünfzigjährige mindestens bis Anfang 2017 weiterregieren wird. Wenn man ihn zum Freund hat, ist Ecuador kein schlechter Ort, um politisches Asyl zu beantragen – selbst für Whistleblower wie Edward Snowden und Julian Assange. Und das, obwohl man Correa ein zwiespältiges Verhältnis zur Freiheit von Meinung und Information nachsagt.

Gummiparagrafen im Mediengesetz

Ausgerechnet in der Woche, in der Wikileaks-Gründer Assange dem in Hongkong untergetauchten Snowden Ecuador als Zufluchtsort ans Herz legte, trat dort ein neues Mediengesetz in Kraft. Correa hatte vier Jahre dafür gekämpft; umstritten ist es noch immer. Dass der erzkonservative lateinamerikanische Verlegerverband SIP oder das US-Aussenministerium mit dem Gesetz nicht einverstanden sind, war zu erwarten. Aber auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und das Büro des Uno-Sonderberichterstatters für das Recht auf Meinungsfreiheit protestierten. Die Reporter ohne Grenzen führen Ecuador in ihrer 179 Länder langen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 119.

Das Gesetz verbietet unter anderem «mediale Lynchmorde», worunter «das wiederholte Herabwürdigen von Personen oder Institutionen» zu verstehen sei. Ein Gummiparagraf, der genauso gegen Exzesse der Boulevardpresse eingesetzt werden kann wie gegen hartnäckige Kritikerinnen des Präsidenten. Dass Correa durchaus bereit ist, gegen ihm lästige Journalisten vorzugehen, hat er schon bewiesen. Im Februar 2012 wurde ein Redaktor der konservativen Tageszeitung «El Universo» wegen eines verleumderischen Kommentars über den Präsidenten zu drei Jahren Haft, das Blatt zur Zahlung von 42 Millionen US-Dollar verurteilt.

Man muss dabei berücksichtigen, dass es bei Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der Presse in Ecuador weniger um Meinungsfreiheit als um Macht und Einfluss geht. Ähnlich wie der im März verstorbene Hugo Chávez in Venezuela hat auch Correa die traditionellen Parteien der Oligarchie mit seinen Wahlsiegen politisch bedeutungslos gemacht. Einziges noch vernehmbares Sprachrohr der wirtschaftlich Mächtigen sind die marktbeherrschenden privaten Medien. Sie gehören meist den grossen Banken und werden schamlos für Anti-Correa-Propaganda genutzt.

Auch Chávez hatte dieses Problem. Er ging dagegen mit der Dampfwalze vor und liess schon auch einmal einen Fernsehsender vom Militär besetzen. Correa ist nicht so raubeinig, eher ein Meister der dosierten Provokation. Nachdem Zeitung und Redaktor verurteilt worden waren, verzichtete er grosszügig auf die Vollstreckung der Strafe. Es reicht ihm zu zeigen, dass es teuer werden kann, wenn man ihn unter der Gürtellinie angreift.

Kühl kalkulierend zum klaren Ziel

Ähnlich dosiert macht er auch internationale Politik: Hätte Chávez bei der Regierungsübernahme einen Luftwaffenstützpunkt der USA in seinem Land vorgefunden, er hätte die Gringos einfach hinausgeworfen. Correa dagegen liess schlicht den Mietvertrag auslaufen und wurde ganz ohne Getöse die US-Basis Manta los. Er bietet auch an, das Erdöl im Yasuni-Regenwald im Boden zu lassen und so eine der artenreichsten Naturreserven zu erhalten – wenn ihm die internationale Gemeinschaft im Gegenzug die Hälfte des zu erwartenden Gewinns erstattet. Ein innovativer Vorschlag, den er selbst immer mal wieder infrage stellt, wenn das Geld nicht fliesst, sondern nur tröpfelt.

Correa hat klare Ziele, aber er nähert sich ihnen nicht mit der Hauruckmethode, sondern kühl kalkulierend. Das hat er gelernt. Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert, in Belgien einen Master erworben und in den USA einen Doktortitel. Sein erstes Regierungsamt war 2005 das des Wirtschafts- und Finanzministers. Schon damals hat er damit begonnen, das Land vorsichtig aus dem Zangengriff von Weltbank und Internationalem Währungsfonds zu lösen. Seine Methode des Drohens und dann doch wieder Zurückweichens erscheint manchmal fast spielerisch und widersprüchlich. Ihr Ergebnis ist eine nie gekannte Stabilität. Asylsuchende dürften so etwas schätzen.