St. Galler Kulturkampf: Chirurgische Schnitte

Nr. 26 –

In St. Gallen protestiert «Hopp Kultur» gegen den kantonalen Kulturabbau. Er sei «irrsinnig und unanständig». Doch das Parlament hört nicht hin.

«Mehr Kultur für St. Gallen. Credit Suisse». Der Slogan prangt schwarz auf weiss auf dem Klosterplatz: Werbung für die St. Galler Festspiele, die Verdi-Oper «Attila» und den Hauptsponsor. Währenddessen wird ein paar Schritte daneben gerade «weniger Kultur» beschlossen. Das Kantonsparlament befand am letzten Dienstag, 25. Juni, über Kürzungen im Betrag von insgesamt 820 000 Franken; so viel sollte die Kultur zum 150 Millionen Franken schweren, dritten kantonalen Sparprogramm beitragen.

Der Widerstand kam spät, aber er kam, und er war weiblich. Fünf Künstlerinnen lancierten «Hopp Kultur – Aktiv gegen Sparpaket 3» und riefen am 20. Juni zum Protest beim Stadtpatron Vadian. Um die hundert Leute folgten dem Aufruf und applaudierten einem Manifest, das die Pläne der Regierung als «irrsinnig und unanständig» kritisiert. Es geht um Abstriche bei der Lokremise, dem erst unlängst eröffneten Vorzeigekulturzentrum des Kantons, um die Streichung des Ateliers in Rom, Kürzungen bei Institutionen, bei der Denkmalpflege, bei Kunstankäufen und Projekten. Fazit von «Hopp Kultur»: «Die überrissenen Steuererleichterungen der letzten Jahre haben den Kanton ausgeblutet – und jetzt sollen ausgerechnet wir, die wir nie von dieser Politik profitiert haben, dafür bezahlen.»

«Fit13+» und «Effort 14+»

Der Kanton St. Gallen ist in Spardingen besonders eifrig, aber nicht allein. Die Städte St. Gallen und Winterthur hecken zurzeit Sparprogramme aus, die nicht nur ähnlich heissen – «Fit13+» beziehungsweise «Effort 14+» –, sondern auch die Kultur betreffen. Winterthur diskutiert diverse Abstriche, so beim Theater oder Musikkollegium, Entscheide fallen im Herbst; in St. Gallen sind Details noch nicht bekannt. Appenzell Ausserrhoden steuert seinerseits auf eine Spardebatte zu – Denkmalpflege oder Bibliotheken könnten dort zu den Leidtragenden gehören. Verschont bleibt die Kultur bisher im Thurgau.

Der vergebliche Schlussgalopp von «Hopp Kultur» war für die traditionell individualistische Kulturszene dennoch positiv als Akt der Solidarität. Dass der Protest lau blieb, mochte daran liegen, dass im Bildungs- und Sozialbereich noch weit einschneidender gespart wird. Zudem hat die Regierung ihre «Entlastungen» chirurgisch fein platziert. Typisch dafür – und von den ManifestantInnen kritisiert: Das Parlament kürzte die Mittel für diverse Projekte und Institutionen von 700 000 auf 580 000 Franken, ohne zu wissen, wen es trifft – so vermeidet man Widerstand. Erfolgreich lobbyierte dafür die ländliche Toggenburger «Klangwelt»; eine Kreditkürzung um 100 000 Franken konnte auf 60 000 Franken reduziert werden.

Ein Hauch von Kulturkampf

Die SVP wollte zusätzlich der Genossenschaft Konzert und Theater St. Gallen eine Million wegkürzen. Sie fand bei der bürgerlichen Mehrheit keine Sympathie, hingegen bei Teilen der Kulturszene – auch «Hopp Kultur» kritisiert, «dass ausgerechnet der grösste Subventionsnehmer von diesen Kürzungen ausgenommen werden soll. Ein Betrieb, der sowohl auf dem Markt der privaten Sponsoren als auch der staatlichen Gelder alles aufsaugt wie ein schwarzes Loch.»

Das sind Kulturkampftöne wie aus den achtziger Jahren, aus der hohen Zeit des Verteilkonflikts zwischen «etablierter» und «alternativer» Kultur. Sie verkennen, dass heute die Konfliktlinien anders verlaufen, und darin liegt, weit über St. Gallen hinaus, ein grundsätzlicher Punkt: Die Privatwirtschaft fördert kaum noch kleinere, nicht publizitätsträchtige Projekte. Umso stärker fallen Kürzungen der öffentlichen Hand ins Gewicht. Ein fataler Kreislauf: Steuersenkungen privatisieren das Geld und bringen so mehr Willkür, Eventorientierung und Populismus in die Kulturförderung.

In der Begrifflichkeit der St. Galler SVP wäre das: «Volkskultur» gegen «Subventionskultur». Das Theater produziere für eine kleine Elite (dabei profiliert es sich gerade in St. Gallen mit Musicals) und müsse sich daher «nach dem Verursacherprinzip» finanzieren. Immerhin werde jedes Ticket mit 183 Franken subventioniert (trotz rekordhoher Eigenfinanzierung). Dies, wie von der SVP gefordert, auf die «Verursacher» abzuwälzen, hätte allerdings nicht «Mehr Kultur für St. Gallen» zur Folge – sondern gar keine mehr.