Zitat: Heidi und die lieben Geissen des Grossvaters

Nr. 26 –

«So kam der Abend heran. Es fing stärker an zu rauschen in den alten Tannen, ein mächtiger Wind fuhr daher und sauste und brauste durch die dichten Wipfel. Das tönte dem Heidi so schön in die Ohren und ins Herz hinein, dass es ganz fröhlich darüber wurde und hüpfte und sprang unter den Tannen umher, als hätte es eine unerhörte Freude erlebt. Der Grossvater stand unter der Schopftür und schaute dem Kind zu. Jetzt ertönte ein schriller Pfiff. Heidi hielt an in seinen Sprüngen, der Grossvater trat heraus. Von oben herunter kam es gesprungen, Geiss um Geiss, wie eine Jagd, und mittendrin der Peter. Mit einem Freudenruf schoss Heidi mitten in das Rudel hinein und begrüsste die alten Freunde von heute Morgen einen um den anderen.

Bei der Hütte angekommen, stand alles still, und aus der Herde heraus kamen zwei schöne, schlanke Geissen, eine weisse und eine braune, auf den Grossvater zu und leckten seine Hände, denn er hielt ein wenig Salz darin, wie er jeden Abend zum Empfang seiner zwei Tierlein tat. Der Peter verschwand mit seiner Schar. Heidi streichelte zärtlich die eine und dann die andere von den Geissen und sprang um sie herum, um sie von der anderen Seite auch zu streicheln, und war ganz Glück und Freude über die Tierchen. ‹Sind sie unser, Grossvater? Sind sie beide unser? Kommen sie in den Stall? Bleiben sie immer bei uns?›»

Johanna Spyri: «Heidis Lehr- und Wanderjahre». Aus Kapitel 3. Diogenes Verlag. Zürich 2013. 
224 Seiten.