Wichtig zu Wissen: Flums, Fleisch, Wurst

Nr. 34 –

Susi Stühlinger über ein Seilbahnembargo gegen Nordkorea.

Es war das erste Mal, dass sie ihn enttäuschte. «In aller Freundschaft, Johann, das können wir nicht durchgehen lassen», hatte sie ihm gesagt. Und zähneknirschend musste sich Bundesrat Schneider-Ammann ihrem Urteil beugen. Sie war sonst ja sehr loyal, die Frau, die auf die beneidenswerten Doppeldoppelnamen Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch hörte. Die Seco-Chefin weibelte fleissig gegen die 1:12-, Mindestlohn- und andere wirtschaftsfeindliche Initiativen, und auch das Freihandelsabkommen mit China hatte sie unter Dach und Fach gebracht. Doch nun dies: Das Schweizer Traditionsunternehmen Bartholet-Seilbahnen in Flums, das unter anderem die erste Unterwasserseilbahn in Ägypten, den ersten Skilift in Argentinien und die erste Wildwasserbahn in Südkorea gefertigt hatte, durfte keine Kombisessel-Kabinenbahn nach Nordkorea liefern. Dass in Nordkorea kein Qualitätsprodukt der hiesigen Industrie zu stehen käme, ärgerte Schneider-Ammann über alle Massen.

Von wegen «Prestige- und Propagandaobjekt des Regimes». Hatte doch der Verwaltungsratspräsident Roland Bartholet glaubhaft versichert, dass die Bahn nicht nur Kim Jong Un allein, sondern der ganzen Bevölkerung zugutekäme. Das Verbot war schon fast bösartig, wenn man bedachte, dass der von der harten Schufterei in Arbeitslagern geplagten Bevölkerung nun dieses Freizeitangebot zur Zerstreuung versagt bliebe. Und was, wenn die Firma Bartholet beleidigt ihre Produktion nach China verlagern würde? Der Wirtschaftsminister verärgerte höchst ungern Schweizer Industrielle, und für die diplomatischen Beziehungen war das Seilbahnembargo pures Gift.

Kim Jong Un hatte seine glücklichen Jugendjahre im bernischen Köniz wohl bereits verdrängt und spielte grimmig, den Finger auf der Weltkarte über der Schweiz kreisend, an seinem Bombenknopf herum. Mit ihrem unumsichtigen Handeln gefährdeten Ineichen-Fleisch und der Restbundesrat, der es gutgeheissen hatte, den Deal zu stoppen, nicht nur den Werkplatz Schweiz, sondern die ganze Existenz dieses Landes.

Möglicherweise, so mutmasste Johann Schneider-Ammann, war die Seco-Chefin gar nicht aufgrund der Lage in Nordkorea, des kommunistischen Regimes oder der Atombombe gegen die Auslieferung des Lifts – sondern vielmehr, weil sie als Bezwingerin von über vierzig Viertausendern, was sie gegenüber den Medien gern herausstrich, Seilbahnen schlicht abgrundtief hasste oder zumindest nicht für notwendig hielt. Vielleicht müsste er sie doch absetzen, sinnierte Schneider-Ammann. Er könnte sie problemlos wie ihre Vorgänger David W. Syz und Jean-Daniel Gerber im Verwaltungsrat der Credit Suisse unterbringen. Ineichen-Fleisch. Fleisch. Er merkte, dass er hungrig war, aber Katharina hatte natürlich ausgerechnet heute den Kühlschrank abtauen müssen. Jetzt eine leckere Bratwurst. Doch es war bereits nach 1 Uhr nachts und das Lebensmittelregal in seiner Lieblingstankstelle abgesperrt. Mist. So etwas passierte Kim Jong Un bestimmt nie.

Susi Stühlinger hat nichts gegen Seilbahnen, gegen den mitarbeiterfeindlichen 24-Stunden-Betrieb in Tankstellenshops jedoch schon.