Schweizer Presse: Blätterwaldsterben geht weiter
Die Pressekonzentration in der Schweiz ist innerhalb der Landesgrenzen in absehbarer Zeit abgeschlossen. Viel Eigenständiges, das die grossen Medienkonzerne noch schlucken könnten, ist nicht mehr übrig. Aber solange es was zu schlucken gibt, wird auf Teufel komm raus geschluckt. Selbst kleine Häppchen verschlingen die Konzerne genüsslich. Und man lässt es sich etwas kosten. Tamedia verleibt sich den Winterthurer «Landboten» ein und bezahlt der Besitzerfamilie Ziegler für weitere gut siebzig Prozent der «Landbote»-Aktie knapp fünfzig Millionen Franken (zwanzig Prozent gehörten Tamedia bereits). Wir reden von einem Blatt mit einer Auflage von 30 000 Exemplaren. Zum Vergleich: Die renommierte «Washington Post» ging kürzlich für umgerechnet 230 Millionen Franken über den Ladentisch.
Glücklich können Tamedia und die bisherige Besitzerfamilie sein. Alle anderen müssen sich grämen: Die Leserschaft, die ein Stück Identität und Bindung verliert, die Belegschaft, der Eigenständigkeit und Stellen abhandenkommen, die Schweizer Demokratie, die wieder einen Baum verliert im Blätterwald, der diesen Namen ohnehin nicht mehr verdient, denn er ist auf drei Mammutbäume und ein wenig Buschwerk geschrumpft.
Beunruhigend an diesem Vorgang ist die weiter wachsende Machtkonzentration von Tamedia und damit der Verlegerfamilie Coninx-Supino. Der Konzern deckt mittlerweile über die Hälfte des Schweizer LeserInnenmarktes ab. Er beherrscht einen breiten Korridor quer durch das Land, von der Westschweiz bis Winterthur – und simuliert wie in Bern und bei den Zürcher Landzeitungen bloss noch Medienvielfalt. Man fragt sich, wofür es eine Wettbewerbskommission gibt, wenn diese dem Treiben keinen Riegel schiebt.
Ohne unabhängige Medien funktioniert keine Demokratie. Tamedia, NZZ-Gruppe und Ringier, das ist die von Verlegerfamilien und Freisinnigen abhängige Presseschweiz, die fast nach Belieben die veröffentlichte Meinung dominiert und den Markt beherrscht. Und wenn die Besitzerfamilien demnächst selbst diese Angst vor dem Wertverlust ihrer Medienkonzerne umtreibt, verkaufen dann auch sie rasch an den Meistbietenden? Vielleicht an den Reichenklub um Christoph Blocher? Vielleicht an einen russischen Oligarchen? Oder womöglich an einen dieser neuen Netzmilliardäre? Dann wäre der Bannwald der Demokratie endgültig kahl geschlagen.