Klimawandel und Landwirtschaft: Von der Fruchtfolge bis zur Züchtung

Nr. 39 –

Wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem IPCC-Bericht dürften in der Schweizer Landwirtschaft auf fruchtbaren Boden fallen: Lokale Forschungsprojekte zeigen Mittel und Wege zur klimafreundlichen Acker- und Viehwirtschaft.

Die Landwirtschaft nimmt in der Treibhausgasproblematik eine Doppelrolle ein. Einerseits trägt sie über Klimagasemissionen zur Erderwärmung bei, andererseits ist sie vom Klimawandel selbst betroffen, da dieser die Produktionsbedingungen direkt beeinflusst. Gerade ältere LandwirtInnen haben in den letzten dreissig Jahren auf lokaler Ebene viele Veränderungen von Klimaverläufen und Wetterphänomenen mitverfolgen können. Viele sind gezwungen, ihre Bewirtschaftungsweise entsprechend anzupassen.

Das Bundesamt für Landwirtschaft hat 2011 eine umfassende Klimastrategie vorgestellt. Bis 2050 will es die Emissionen aus der landwirtschaftlichen Produktion um ein Drittel, jene im Bereich Verarbeitung und Handel um zwei Drittel senken.

In einem ersten Schritt ist die Forschung gefragt: Die eidgenössischen landwirtschaftlichen Forschungsanstalten Agroscope haben ihre Forschungsaktivitäten im Bereich Klima stark ausgedehnt. Zum einen geht es darum, den CO2-Ausstoss zu verringern.

«Über Emissionsmessungen versuchen wir herauszufinden, wo das grösste Reduktionspotenzial besteht», sagt Jürg Fuhrer, Leiter der Gruppe Lufthygiene und Klima bei Agroscope. Mehr CO2 in landwirtschaftlichen Böden zu speichern, sei in der Schweiz beispielsweise nicht sehr aussichtsreich. Im Vergleich mit Bewirtschaftungsweisen im Ausland vermögen die vielseitigen Schweizer Fruchtfolgen bereits viel CO2 zu speichern – es gibt immer wieder eine lange Periode, in der der Ackerboden mit einer Ansaatwiese bedeckt ist.

«Mehr Potenzial besteht bei der Emissionsverminderung, etwa beim Lachgas, das im Rahmen der Stickstoffdüngung freigesetzt wird», so Fuhrer. Man hat beispielsweise herausgefunden, dass Biokohle – eine Art Holzkohle für die Landwirtschaft – Lachgasemissionen unter Laborbedingungen reduzieren kann. «Diesen Effekt untersuchen wir nun im Freiland.» Wichtig ist auch, den Methanausstoss von Wiederkäuern zu vermindern: Die ETH Zürich experimentiert mit dafür geeigneten Futterzusätzen.

Ackerbau ohne Pflug

Auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) beschäftigt sich intensiv mit der Emissionsreduktion. Unter anderem erstellt es Klimabilanzierungen ganzer Produktionsabläufe, experimentiert mit weniger Kraftfutter in der Wiederkäuerfütterung oder untersucht und optimiert Ackerbausysteme, indem etwa die Bodenbearbeitung reduziert wird.

Wichtig sei aber auch, die Landnutzung insgesamt anzupassen, sagt Fuhrer. «Über geeignete Anbaustrategien, Fruchtfolgen und Bewirtschaftungsweisen muss es uns gelingen, die Landwirtschaft weniger anfällig für Trockenheit und Wetterextreme zu machen.» Viele Agroscope-Forschungsarbeiten kreisen um Mittel und Wege zur Anpassung an den Klimawandel. So ist man beispielswiese dabei, Getreidesorten und Futterpflanzen mit erhöhter Trockenheitsresistenz zu züchten und Bewässerungssysteme zu verbessern. Weitere Projekte widmen sich der Frage, welches Risiko aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen von neuen Schädlingen und Krankheiten für Pflanzen und Tiere ausgeht.

Die grossen ProduzentInnenverbände wie Bauernverband (SBV) oder Bio Suisse unterstützen ihre Mitglieder, wenn es um die Frage geht, wie sie ihre Betriebe klimafreundlicher machen können. Beim SBV laufen die Hauptaktivitäten über die Gesellschaft Agrocleantech, an der auch Organisationen wie Ökostrom Schweiz, die bäuerlichen BiogasanlagenbetreiberInnen oder die landwirtschaftliche Beratungsorganisation Agridea beteiligt sind. «Mit einem Energie- und Klimacheck wollen wir die Betriebe in einem ersten Schritt sensibilisieren und ihnen konkrete Massnahmen aufzeigen», sagt Martin Rufer vom SBV.

Die Massnahmen betreffen vor allem die Energieeffizienz bei den Gebäuden oder bei der Milchkühlung. Im Fokus stehen aber auch treibstoffsparende Anbautechniken wie etwa der pfluglose Ackerbau. Im Rahmen sogenannter Ressourcenprogramme fördern auch einzelne Kantone solche Massnahmen mit Kantons- und Bundesgeldern. So gibt es beispielsweise Geld für Gülleausbringungstechniken mit reduziertem Ammoniakausstoss.

Von der Aufklärung zur Propaganda

Die Klimadebatte hat längst auch das Marketing von landwirtschaftlichen Produkten erfasst. So hat die Migros vor drei Jahren bei der Stiftung Myclimate eine Studie über die Ökobilanz von Zucker in Auftrag gegeben. Dabei schnitt Biorohrzucker aus Übersee besser ab als der konventionelle Schweizer Rübenzucker.

Abgesehen davon, dass Myclimate die zugrunde liegenden Daten nicht offenlegen durfte, ist das Resultat auch sonst mit Vorsicht zu geniessen. Die Schweizer Zuckerfabriken und der Rübenpflanzerverband gaben nämlich ihrerseits eine Studie in Auftrag, die – wen wunderts – den Schweizer Rübenzucker als sehr klimafreundlich darstellte.

Markus Spuhler ist Chefredaktor von «Bioaktuell», der Zeitschrift des Biodachverbands Bio Suisse.