«Tierrechtsbewegung»: Das menschliche und die anderen Tiere

Nr. 44 –

Tiertransporte quer durch Europa, Dioxin im Hühnerfutter, Mastpoulets, die nie die Sonne sehen: Die industrielle Ausbeutung von Tieren wird zu Recht heftig kritisiert. Während TierschützerInnen versuchen, die Haltungsbedingungen zu verbessern, gehen TierrechtsaktivistInnen weiter: Sie stellen «grundsätzlich infrage, ob wir nichtmenschliche Tiere für unsere Zwecke gebrauchen dürfen», wie der Philosoph Klaus Petrus schreibt. Sie lehnen alle tierischen Produkte ab und fordern für Tiere ein Lebensrecht wie für Menschen. Tiere sollen kein Besitz mehr sein, sondern nur sich selbst gehören.

Petrus, selbst Tierrechtsaktivist und Mitarbeiter der Universität Bern, hat eine Einführung in Geschichte und Theorie der Tierrechtsbewegung geschrieben. Er zeichnet nach, wie schon im 18. Jahrhundert Philosophen über die Anliegen von Tieren nachdachten, wie um 1900 Feministinnen das Thema aufnahmen und nach 1968 eine Bewegung entstand, die mit spektakulären Störaktionen bei Jagden und (auch intern umstrittenen) Befreiungen von Versuchstieren bekannt wurde. Und er zeigt, dass es tatsächlich nicht einfach ist, Menschen klar von Tieren abzugrenzen: «So sind Säuglinge, demenzkranke oder schwerstbehinderte Menschen ebenso wenig in der Lage, Pflichten zu übernehmen oder an Rechtsverträgen teilzunehmen, wie Kühe, Schweine oder Hühner.»

Doch viele Fragen bleiben: Ist jede Tierhaltung Ausbeutung? Und was ist mit den Menschen in Steppen- und Berggebieten, wo sich das Land nur mit Tieren nutzen lässt? Die industrielle Tiermast fördert den Hunger, eine nachhaltige Tierhaltung kann hingegen ein Mittel gegen den Hunger sein. Ein Ende der Nutzung «nichtmenschlicher Tiere» wäre ein Ende der Hirtenkulturen der Welt, ein Ende des Zusammenlebens zwischen Mensch und Nutztier. Auf all das geht Petrus nicht ein. Für einen Tierrechtsaktivisten sind diese Fragen wohl auch falsch gestellt: aus menschlicher Perspektive. Aber können wir überhaupt aus einer anderen Perspektive fragen?