Europäische Union: Die nationalistische Internationale
Die Opposition gegen die EU bringt Europas Rechtsparteien zusammen. Hinter überladener Rhetorik steckt eine ernst zu nehmende Kampfansage.
Geert Wilders rief, und alle kamen: die Schwedendemokraten, die italienische Lega Nord, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ), der Vlaams Belang aus Belgien und der französische Front National (FN). Mit deren SpitzenvertreterInnen traf sich der niederländische Rechtspopulist in den letzten Monaten, um für die EU-Wahlen im Mai 2014 Möglichkeiten einer gemeinsamen Kampagne zu besprechen. «Eine Faust gegen Brüssel» nennt Wilders das, oder: «Zusammenarbeiten, um die Europhilen zu schlagen».
Bei dieser einen Kampagne dürfte es nicht bleiben, denn es gibt bereits weitergehende Ansagen: Wilders Partei für die Freiheit (PVV) strebt den Austritt aus der EU und der Eurozone an. Und Front-National-Chefin Marine Le Pen prophezeit der EU einen Zusammenbruch nach sowjetischem Vorbild. Offenbar will man nun mit vereinten Kräften der EU ein Grab ausheben. Dieses Ziel hat Wilders so formuliert: «Wieder Herr sein über das eigene Land, das eigene Geld, die eigenen Grenzen.»
Ein rechter Block, der die verhasste Union von innen bekämpft: Das ist der Anspruch. Eine ernst zu nehmende Kampfansage ist das allemal, denn PVV wie FN stehen in den nationalen Umfragen konstant oben, und die FPÖ konnte zuletzt bei den österreichischen Wahlen am stärksten zulegen. Im EU-Parlament aber bilden die rechten Abgeordneten bislang keine Fraktion, sondern nur eine lose Partei namens Europäische Allianz für Freiheit mit einer Handvoll Mitgliedern. Verschwendetes Potenzial, in der Logik der Europhoben.
Marine Le Pen, die gern Präsidentin Frankreichs werden möchte, schwärmt vom bevorstehenden Zusammenschluss «aller patriotischen Parteien». Doch wie verträgt sich etwa der französische Nationalismus mit dem niederländischen? Und was können die padanischen SeparatistInnen der Lega Nord und die migrationsfeindlichen SchwedendemokratInnen füreinander bedeuten? Ist eine nationalistische Internationale nicht ein Widerspruch in sich?
Der Kitt, der all diese Kräfte vereint, ist ihre fundamentale Opposition zur Europäischen Union. Hilfszahlungen und Rettungsfonds, das sehen sowohl Heinz-Christian Strache (FPÖ) als auch Filip Dewinter (Vlaams Belang) als Geldverschwendung, als Zwangstransfer von rechtschaffenen Nord- zu faulen SüdeuropäerInnen. Zudem wird Brüssel als fremde, supranationale Elite mit dem Andauern der Krise immer mehr zum Feindbild.
Ganz ohne ideologische Vorläufer kommt das rechte Unternehmen nicht aus. Ende des letzten Jahrhunderts schon huldigte die Neue Rechte dem Konzept eines «Europa der Vaterländer». Und die eher über regionale Identität bewegte Zunft (Vlaams Belang, Lega Nord, Alsace d’Abord) pflegt seit längerem unter dem Motto «Europa der Regionen» enge Kontakte – durchaus Ausdruck von Solidarität in einem vermeintlich gemeinsamen Kampf. Dass die Parole dieser Parteien vielfach «Eigenes Volk zuerst» lautet, tut dem überregionalen Gekuschel keinen Abbruch.
Essenziell für den ganz grossen rechten Schulterschluss ist aber ein anderes Element: der Kurswechsel von rechtsextremen hin zu bürgerlich-rechtskonservativen Positionen. Vlaams Belang, der Front National und auch die FPÖ versuchen seit Jahren, sich von ihren rassistischen, antisemitischen und völkischen Wurzeln zu distanzieren. Selbst Vlaams-Belang-Ikone Filip Dewinter, der bei seiner Vereidigung im Parlament einst den Hitlergruss zeigte, erteilt gestiefelten Nazis inzwischen eine Absage. Unklar ist, was dahintersteckt: Altersmilde, Überzeugung oder nur strategisches Kreidefressen?
Das Bindeglied, das es den alten völkischen Haudegen erlaubte, bei den moderner auftretenden, neuen RechtspopulistInnen, etwa bei der PVV oder den Schwedendemokraten, anzudocken, war die Islamdebatte. In den letzten Jahren passten sich selbst rabiate Antiimmigrationsparteien wie Vlaams Belang und FPÖ der diskursiven Neuordnung an: Seither stehen nicht mehr AusländerInnen per se im Fokus, sondern MuslimInnen. Mit dieser Rhetorik fanden sie Zugang zur ohnehin sehr heterogenen islamkritischen Bewegung, in der sich ReligionskritikerInnen, Konservative und Rechtsextreme finden.
Heute wird allerdings neben den MuslimInnen die EU verstärkt als Feindbild betrachtet – in den Niederlanden hat man den wildersschen Fokuswechsel längst zur Kenntnis genommen. Nun schickt dieser sich an, auf der Rechten die Reihen zu schliessen. Wilders und Le Pen werden sich Mitte November in Den Haag erneut treffen. Auf dem Programm, so der PVV-Chef, steht neben der «Wiederherstellung der nationalen Souveränität» auch die «Massenzuwanderung».
Vielleicht kann man hoffen, dass das Projekt am Ende doch wieder an Streitigkeiten scheitert, wie bei Identität, Tradition Solidarität (ITS), einer kurzlebigen patriotischen Fraktion im EU-Parlament im Jahr 2007. Jedoch ist eher zu befürchten, dass sich ein in Europa bereits weitverbreitetes nationales Phänomen nun auch in Brüssel ausbreitet: Mainstreamparteien, die ihre politischen Ziele nach rechts verschieben, um den rechtspopulistischen Aufschwung auszubremsen.