Die Rechte in Europa: Behutsam hin zum Schulterschluss

Nr. 3 –

Dass NationalistInnen auch über Landesgrenzen hinweg zusammenarbeiten können, ist längst erwiesen. Gerade vor der EU-Wahl im Mai gibt es Versuche, rechte Kräfte zu bündeln. Auch Donald Trumps Exberater Stephen Bannon mischt mit.

Mitte letzter Woche unternahm Matteo Salvini eine Dienstreise in besonderer Mission: Der italienische Innen- und Vizepremierminister traf sich in Warschau mit polnischen SpitzenpolitikerInnen. Es ging um eine mögliche Zusammenarbeit seiner Lega Nord mit der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Unter anderem traf er Jaroslaw Kaczynski, den Chef der nationalkonservativen PiS. Nach der EU-Wahl von Ende Mai würden Polen und Italien Teil eines «europäischen Frühlings» sein, verkündete Salvini bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Innenminister Joachim Brudzinski.

Gescheiterte Versuche

Was Salvini damit meint, ist eine Kooperation EU-kritischer Kräfte innerhalb des 751-köpfigen EU-Parlaments in Strassburg, und zwar ganz im Zeichen von nationalstaatlicher Restauration und Migrationsabwehr. An sich ist das kein neues Projekt: Unter den acht Fraktionen des aktuellen EU-Parlaments befindet sich seit 2015 die rechtspopulistische Fraktion Europe of Nations and Freedom (ENF), und bereits ein Jahr zuvor hatte sich die euroskeptische Europe of Freedom and Direct Democracy (EFDD) formiert, in der unter anderem die britische Ukip und die italienische Fünf-Sterne-Bewegung vertreten sind.

Vor allem die Entstehung der ENF kommentierten manche Linke mit einer Binsenweisheit, die damals noch plausibel erschien: nationalistische AkteurInnen könnten per se nicht zusammenarbeiten, denn früher oder später würden ihre Interessen einander zwangsläufig ins Gehege geraten, worauf es unweigerlich Streit geben müsse. Als Beweis dafür galt die Rechtsaussengruppe Identity, Tradition, Sovereignty (ITS) im EU-Parlament, die 2007 nach nicht einmal einem Jahr an internen Konflikten zerbrochen war. Eine Annahme, die längst überholt ist.

Inzwischen ist ein Schulterschluss der Anti-EU-Kräfte unter Europas Rechtsparteien das Gebot der Stunde. Der Rahmen einer solchen rechten Internationale hat sich durch die politische Dynamik der letzten Jahre indes deutlich verändert, wobei ausgerechnet ein aussereuropäischer Akteur diesen Wandel verkörpert: Stephen Bannon, der frühere Kampagnenleiter und zwischenzeitliche Chefstratege von US-Präsident Donald Trump und ehemalige Galionsfigur des Alt-Right-Leitmediums «Breitbart».

Im Sommer 2018 sorgte Bannon für einigen Wirbel auf dem Kontinent: Er kündigte an, europäische RechtspopulistInnen vor der kommenden EU-Wahl unterstützen zu wollen. Geschehen solle dies im Rahmen einer Stiftung namens The Movement. Für Anfang 2019 ist ein Gründungsgipfel vorgesehen. In Brüssel, wo die Bewegung ihren Sitz haben soll.

In liberalen, proeuropäischen Kreisen löst diese Perspektive Bestürzung aus. Man kennt inzwischen Bannons Kapazitäten als Agitator und traut ihm offenbar zu, nach Trumps Einzug ins Weisse Haus eine weitere Herkulesaufgabe zu bewältigen: die Vereinigung des rechten Spektrums in Europa, von bürgerlich-konservativ bis hin zu rechtsradikal. Trifft diese Einschätzung zu, oder steckt dahinter bloss pure Verunsicherung aufgrund der rechtspopulistischen Welle, die seit mehreren Jahren scheinbar unaufhaltsam über den Kontinent rollt?

«Ich bin kein Puppenspieler»

Dezember 2018 in Brüssel: Stephen Bannon spricht auf einer halb öffentlichen Veranstaltung des Movement for a Europe of Nations and Freedom (MENF). Als internationale Parteienallianz bildet das MENF den ideologisch-institutionellen Rahmen der ENF-Fraktion, und als Gastgeberin fungiert die rechtsradikale Partei Vlaams Belang aus Belgien – zusammen mit der österreichischen FPÖ und dem französischen Front National (mittlerweile Rassemblement National) einst Pionierin der rechten Kooperation. Bei der Veranstaltung geht es passenderweise um die Ablehnung des Uno-Migrationspakts: Migration gilt in jenen Kreisen als Kern des Konflikts zwischen vermeintlichen kosmopolitischen Eliten und den Verfechtern des Nationalstaats. Wie üblich bei seinen Auftritten in Europa ist Bannon auch hier der Stargast.

Unumwunden gibt er zu, bereits einigen Aufwand in eine Allianz investiert zu haben, um den verhassten «kulturmarxistischen Globalisten» Europas auf möglichst breiter Ebene entgegentreten zu können. In seiner Rede bezieht er sich auf Donald Trump, Viktor Orban oder «Captain Bolsonaro» als Verbündete – ebenso auf die Gilets jaunes, die zeitgleich in Paris und Brüssel demonstrieren. Er sei aber nicht gekommen, um die Fäden zu ziehen, wie er betont: «Ich bin kein Puppenspieler!»

Bannon hat für diese Beteuerung gute Gründe. Beim MENF nämlich steht man dem Strategen aus den USA ambivalent gegenüber. Sosehr man den Einzug Trumps ins Weisse Haus vor zwei Jahren als Bestandteil der Revolte gegen «die Eliten» feierte: Man ist darauf bedacht, nicht als Bannons Marionette zu erscheinen. So ging die alte Garde rechter Kooperation – der Rassemblement National, die FPÖ und die niederländische PVV – zu Bannons Movement mittlerweile auf Abstand. Marine Le Pen formulierte es in einem Interview mit dem niederländischen «NRC Handelsblad» so: «Bannon bietet ein Diskussionsforum, aber wir brauchen keinen amerikanischen Rat, wie wir Europa reformieren.» Ähnlich drückt es am Rand der Veranstaltung in Brüssel gegenüber der WOZ auch Philip Claeys aus, der MENF-Generalsekretär: Man habe Bannon eingeladen, weil man ihn interessant finde, doch von einer Eingliederung in The Movement könne keine Rede sein. Zugleich soll das MENF neue Mitglieder erhalten, sagt Claeys. Genaueres wolle er dazu aber nicht sagen.

Bislang hat das MENF acht Mitglieder: Neben Vlaams Belang, Rassemblement National, FPÖ und Lega gehören der polnische Kongress der Neuen Rechten (KNP), die tschechische Bewegung für Freiheit und Direkte Demokratie (SPD), die bulgarische Wolja («Wille») sowie die griechische Nea Dexia («Neue Rechte») dazu.

Eine neue Ausgangslage

Bannons Brückenkopf nach Europa ist aber nicht das MENF, sondern der belgische Anwalt Mischaël Modrikamen, Chef der rechten belgischen Splitterpartei Parti Populaire (PP). Er war es, der The Movement Anfang 2017 als Stiftung registrierte – inspiriert vom Wahlsieg Trumps in den USA, mit dem Ziel, populistische AkteurInnen in Europa zu vernetzen. Über den Briten Nigel Farage kam dann der Kontakt mit Bannon zustande.

Ein MENF-Mitglied, das sich mittlerweile offen zu Bannon und Modrikamen bekennt, ist Matteo Salvini. Nach einem Treffen in Rom im September letzten Jahres twitterte Modrikamen: «The Movement: Er ist dabei!» Kurz davor hatte Salvini bereits mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban vereinbart, sich gemeinsam gegen «die promigrantische Politik von Macron und Soros» zu stellen. Orban kommentierte: «Die Europawahlen kommen. Momentan gibt es in Europa zwei Gruppen: Die eine wird von Macron angeführt. Die andere will ihre Grenzen sichern.» Wie breit das rechte Bündnis bis zu den EU-Wahlen tatsächlich wird, hängt davon ab, in welchem Ausmass diese Erzählung eines zweigeteilten Europa verfängt. Unverkennbar ist in jedem Fall, dass das Spielfeld, auf dem bürgerliche, populistische und radikale Rechte agieren, ein anderes ist als noch vor der letzten Europawahl 2014.

Damals waren Geert Wilders und Marine Le Pen die ProtagonistInnen der rechten Allianz. Beide verloren 2017 ihre Wahlen, wogegen die FPÖ und die Lega nun an der Macht sind. Die Dynamik der sogenannten Flüchtlingskrise hatte den Kontinent noch nicht erfasst, und die Visegrad-Gruppe (bestehend aus Polen, Tschechien, Ungarn und der Slowakei) hatte bei weitem nicht das Gewicht und den Status von heute. Donald Trump hatte noch nicht einmal seine Kandidatur angekündigt, und bei den britischen Tories diskutierte man eben erst über ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft.

Die Karten sind aufgrund all dieser Entwicklungen seither neu gemischt worden. Fraglos stehen bestimmte Punkte zwischen den ProtagonistInnen – etwa das unterschiedliche Verhältnis zu Russland, das Salvinis «Frühling» zwischen der Lega und der PiS abkühlen könnte. So ist der angestrebte nationalistische Schulterschluss schwerlich als etwas vorstellbar, das zwangsläufig in eine geeinte EU-Fraktion mündet. Viel entscheidender ist aber, ob der angelaufene Prozess der Annäherung die Erosion Europas langfristig voranzutreiben vermag. Und diesbezüglich könnten sich das MENF und The Movement durchaus ergänzen.