Für eine neue initiative: Für Freiheitsrechte einstehen

Nr. 12 –

Beat Ringger vom Denknetz möchte die SVP-Einwanderungsinitiative mit einer Initiative rückgängig machen. Er hofft auf die Jugend.

WOZ: Beat Ringger, Sie plädieren für eine Volksinitiative «mit dem einzigen Inhalt, die Bestimmungen rückgängig zu machen, die am 9. Februar in die Verfassung geschrieben worden sind». Ist das nicht Zwängerei?
Beat Ringger: Wenn eine Vorlage, die gravierende Konsequenzen hat, mit einem Zufallsmehr angenommen worden ist, dann ist es ein zentrales demokratisches Recht, diesen Entscheid nochmals zu überprüfen.

Geht es Ihnen um die Debatte, oder wollen Sie gewinnen?
Diese Initiative hat nur einen Sinn, wenn man sie gewinnen will.

Hindert der Eindruck der Zwängerei nicht?
Das glaube ich nicht. Viele stimmten Ja, weil sie auf die ökologischen Argumente ansprachen, auf die «Masslosigkeit». Sie wären ganz froh, sie könnten den Entscheid rückgängig machen. Vor der Abstimmung spielte die SVP die Konsequenzen eines Ja herunter. Aber jetzt ist offensichtlich, dass die EU bei der Frage der Personenfreizügigkeit keinen Spielraum hat. Denn innerhalb der EU hat diese Frage explosives Potenzial. Dazu kommt: Linke und Gesellschaftsliberale waren im Abstimmungskampf nicht sichtbar. Die Debatte wurde mit nationalegoistischen Argumenten geführt, man betonte den Nutzen der Bilateralen für «die Schweiz». Kaum jemand hat gesagt: Die Personenfreizügigkeit ist ein Freiheitsrecht. Es geht auch um das Recht von Schweizerinnen und Schweizern, in Europa arbeiten und studieren zu können.

Was meinen Sie mit gesellschaftsliberal?
Das Einstehen für Freiheitsrechte, etwa dass ich dorthin ziehen darf, wo mir eine Stelle angeboten wird. Meinungsäusserungsfreiheit, Gleichheitsrechte, die Verhinderung jeglicher Diskriminierung, zum Beispiel wegen der Nationalität. Für die vielen Studierenden, die demonstriert haben und sich für das Erasmus-Programm wehren, sind das zentrale Anliegen. Eigentlich müsste auch ein Teil des Freisinns …

Der ist inzwischen aber sehr klein!
Ja, das ist ein Problem. Gerade auch deshalb muss die Linke diesen gesellschaftsliberalen Anliegen hohe Bedeutung beimessen – mindestens in dem Mass, wie sie bei den Bürgerlichen verdampfen.

Glauben Sie, das überzeugt die Leute?
Am 9. Februar betrug das Ja-Mehr knapp 20 000  Stimmen. Wir müssen ein paar Tausend Leute überzeugen, anders zu stimmen, und wir müssen ein paar Tausend Leute überzeugen abzustimmen, die das nicht getan haben. Das ist machbar. Aber klar, es kann auch scheitern – es gibt keine risikolose Politik.

Manche plädieren dafür, den Bundesrat eine Vorlage erarbeiten zu lassen, die die SVP-Initiative wortgetreu umsetzt. Ein Referendum über die Umsetzung könnte man gewinnen.
Ob eine solche Taktik aufgeht, ist fraglich. Selbst wenn es gelingt, steht die SVP-Initiative immer noch in der Verfassung. Und in diesem Szenario kommen soziale und gesellschaftsliberale Anliegen wieder nicht vor. Das wird wieder eine nationalegoistische Debatte.

Wer soll Ihre Initiative denn lancieren?
Das Bündnis, das am 1. März die Kundgebung «für eine offene und solidarische Schweiz» auf dem Bundesplatz organisiert hat, trifft sich weiterhin. Dort werde ich den Vorschlag vorstellen. Ich fände es super, wenn die Initiative von Jungparteien und Jugendorganisationen lanciert würde. Das wäre ein klares Statement: Die kommende Generation will nicht in einer Schweiz leben, die sich abschottet.

Denken Sie, die Mobilisierung hält an?
Keine Ahnung. Aber abwarten und nichts tun ist für die Linke das grössere Risiko. Je mehr die Debatten mit nationalegoistischen Argumenten geführt werden, desto stärker wird der Nationalismus; das sieht man in vielen Ländern Europas. Wir müssen zeigen: Repressive Regulierungen über Kontingente und Polizeistaat schützen weder Löhne noch soziale Sicherheit noch Lebensräume. Wenn es das Ziel ist, dass weniger Leute in die Schweiz kommen, müssen wir endlich mit dem Steuerdumping aufhören.

Sie sagen also auch, es habe zu viele Leute in der Schweiz?
Nein. Aber wenn andere das finden, sage ich nicht: Du darfst diese Sorge nicht haben. Sondern ich sage: Die Migration folgt den Jobs. Wenn wir die Unternehmenssteuern anheben, dann werden weniger Jobs geschaffen.

Sollte man sich nicht auf den Kampf gegen die Ecopop-Initiative konzentrieren?
Ich bin überzeugt: Eine solche Initiative erhöht die Chancen, Ecopop zu bodigen. Sie gibt all jenen eine Perspektive, die weder Ecopop noch SVP-Kontingentierung wollen. Ein Nein zu Ecopop ist dann nicht nur ein Nein zu einer noch schlimmeren Kontingentierung, sondern der erste Schritt, um die Kontingentierung wieder zu streichen. Das mobilisiert.

Beat Ringger (58) ist geschäftsleitender Sekretär des Thinktanks Denknetz und Zentralsekretär des Verbands des Personals Öffentlicher Dienste (VPOD), zuständig für den Gesundheitsbereich.