Stadttheater Konstanz: Unter Polizeischutz

Nr. 13 –

Eine bessere Werbung hätte sich das Stadttheater Konstanz für sein «Märchen vom letzten Gedanken» kaum wünschen können. Schon vor der Uraufführung des Stücks am vergangenen Freitag – es thematisiert den Massenmord an den ArmenierInnen 1915 – hagelte es Proteste: Das türkische Generalkonsulat kritisierte die Verwendung des Begriffs «Völkermord», rund 150 TürkInnen demonstrierten in der Innenstadt, die Aufführung fand unter Polizeischutz statt. Dabei hatte der umtriebige Intendant Christoph Nix schon im Vorfeld die Wellen zu glätten versucht. Er sprach mit dem Generalkonsul, diskutierte in der Konstanzer Moschee mit KritikerInnen und liess das Ankündigungsplakat überkleben. Es zeigte unter der türkischen Fahne – die der Flagge des Osmanischen Reichs ähnelt – die verhüllte Leiche des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink, der 2007 ermordet worden war.

Das Stück – geschrieben und inszeniert von Mario Portmann – basiert auf dem gleichnamigen, preisgekrönten Roman des Holocaustüberlebenden Edgar Hilsenrath. «Das Märchen vom letzten Gedanken» schildert in Form einer Meddah-Erzählung vielschichtig, mehrstimmig und anfangs etwas ausufernd die Geschichte einer armenischen Familie, die während des Ersten Weltkriegs von der Ausrottungspolitik des damaligen jungtürkischen Regimes erfasst wurde. Erwiesen ist, dass seinerzeit (auch mithilfe des Deutschen Reichs) über eine Million armenische Frauen, Männer und Kinder deportiert und massakriert worden waren. Bis heute leugnet die offizielle Türkei den Genozid.

In seiner Sterbestunde bekommt der alte Armenier Thovma Khatisian (den es nach Zürich verschlagen hatte) erzählt, wie das damals war, als man seinen Vater folterte, seiner Mutter den Bauch aufschlitzte und Unzählige auf Todesmärsche schickte. Und doch zeichnet das «Märchen» kein Schwarz-Weiss-Bild, es ist auch kein rein historisches Stück: Es erinnert – glänzend gespielt und vor beeindruckender Kulisse – daran, wie schwer sich auch Deutschland tut, seine (Mit-)Schuld anzuerkennen.

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