EU-Beitritt: Endlich sagen sie es wieder laut

Nr. 14 –

Ganz ehrlich: Wie die meisten SozialdemokratInnen habe ich zwischendurch meine Mühe, SP-Mitglied zu sein. Zum Beispiel, wenn wir parteiintern darüber streiten, ob ein Kopftuchverbot an Schulen eine gute Sache ist. Aber seit dem 29. März ist es mir wieder sehr viel wohler dabei. Denn ich darf wieder aussprechen, wovon ich eigentlich schon seit meiner Teenagerzeit überzeugt bin: Die Schweiz gehört in die EU. Das war für viele SozialdemokratInnen eigentlich schon immer klar. Denn Grenzen sind ein Unding, das es zu überwinden gilt. Die Zeit für Nationalstaaten von der Grösse eines Kuhfladens ist vorbei.

Trotzdem hat die SP die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, sich aus Urnenangst zu winden, wenn es um das Thema ging. Wenn uns die SVP vorhielt, wir wollten die Schweiz in die Europäische Union führen, dann antworteten wir meist mit «Nein, aber …». Und genau damit haben wir das Abstimmungsresultat vom 9. Februar mitverursacht. Mit unserer Feigheit.

Verstehen wir uns nicht falsch: Die EU ist ein bizarres Gebilde. Ihre Grundlage bildet einseitig der wirtschaftliche, nicht der soziale Zusammenschluss. Und ihre Macht liegt im Abstrakten – bis die nationalen Regierungen gemerkt haben, dass zum Beispiel plötzlich Genmais angebaut werden darf, ist der Zug längst abgefahren.

Das Problem ist: Es gibt keine Alternative. Ich habe mich auch lustig darüber gemacht, dass die EU den Friedensnobelpreis erhalten hat. Ausgerechnet die? Doch ich entstamme jener Generation, die den Krieg nur aus dem Fernsehen kennt. Das ist der Öffnung der Grenzen zu verdanken und der damit verbundenen Abkehr vom völkisch-rassistischen Unsinn eines «Europas der autonomen Völker». Ich habe jeden Kontinent der Welt bereist und noch nie ein Volk getroffen. Nur Menschen. Und deren Autonomie innerhalb eines angsteinflössenden Verwaltungsapparats wie desjenigen der EU zu verteidigen – das ist die Herausforderung moderner Demokratien.

Doch es führt kein Weg an der EU vorbei. Ich bin froh, dass die SP den Mut gefunden hat, dies wieder laut zu sagen.

Etrit Hasler ist St. Galler SP-Kantonsrat und Stadtparlamentarier sowie WOZ-Kolumnist.