Buch: Die ganze Welt im Balkan
Zeleno Ulje / grünes Öl. Zlatni Med / goldener Honig: Das «Hermes Kochbuch» umfasst eine Sammlung von 44 Rezepten, die Katja Jug in Kroatien aufgespürt hat. Hermes, der Gott der Reisenden und der Rednerinnen, steht hier als der Schutzheilige, der die Autorin in den exjugoslawischen Raum zurückgebracht hat, der oft Balkan genannt wird. Das Kochen und Essen ist aber nicht einfach nur kochen und essen, sondern zusammen wird es zur literarischen Figur. So dokumentieren leckere Rezepte und poetische Erzählfragmente berührende Geschichten der Rückkehr, die durch die eigenwillig inszenierten Fotografien – rätselhaft, aber suggestiv – als künstlerische Spurensuche blossgelegt werden.
Bei Mutters Krapfen, den Mamini Kraflini, handelt es sich um eine Speise, die schnell beleidigt ist und mit Segenssprüchen besänftigt werden muss, denn der erste Bissen soll schön krachen, damit die halbwüchsige Tochter des Nachts auch nach Hause kommt. Es gibt eine Musaka für Billie Holidays Hund, und wir lernen, wie das Schaf Martha geschlachtet, ausgenommen und auf einem Buchen- und Lindenholzfeuer gebraten wird.
Den Krieg erfahren wir durch den Bijela Kava, in Kuhmilch und wenig Kaffee eingeweichte Weissbrotstückchen, ein Gericht, das intensivste Erinnerungen zu mobilisieren vermag. Doch die Häuser sind leer, Abfall liegt herum, und zurückgeblieben ist nur eine alte Frau, die ihre einzige Kuh nicht verlassen mag. Ganz im Sinn des Kommunikators Hermes kommen neben den berückenden Wortaufzählungen in deutscher und kroatischer Sprache nicht nur Grossmutter, Grossvater, Tanten und Onkel, sondern unter anderem auch Alice B. Toklas, Roberto Bolaño, Suzanne Vega und Sade zu Wort. Und wer weiss, dass Francis Picabia für sein Rührei ein halbes Pfund Butter verbrauchte?
Katja Jug: Hermes Kochbuch. Zürich 2013. 296 Seiten. 88 Franken. Zu beziehen bei www.katejug.net