Kost und Logis: Sex und Staubsaugen

Nr. 15 –

Karin Hoffsten über die Frau, den Mann und alles andere

Vor einiger Zeit beschrieb eine Schweizer Austauschstudentin im «Tages-Anzeiger» das Häuschen, das sie während ihres Studiums in Tromsø bewohnt: «Architektin Kirsten Sand wollte hier feministisch bauen: Küche und Wohnzimmer sind zwar durch eine Schrankwand mit Spüle getrennt, die Trennwand selber besteht aber aus transparentem Plastik, damit man auch beim Kochen am Familienleben teilhaben kann.»

Hö, hö, dachte ich, feministisch! Und das im fortschrittlichen Norden! Bis ich merkte, dass die norwegische Architektin das Haus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entworfen hat. Von so viel Transparenz wagte die Hausfrau hierzulande damals kaum zu träumen.

Die Zeiten haben sich geändert. Heute schaut nicht nur die Frau aus der Küche, sondern der Mann steht mittendrin. Der eine oder andere jedenfalls. Aber das ist jetzt auch wieder nicht gut. Denn wie vor kurzem einmal mehr in der «NZZ am Sonntag» zu lesen war: Je mehr er staubsaugt, desto weniger will sie Sex. Sie findet ihn scharf, wenn er schweissnass vom Krafttraining kommt oder im Zimmerli-Leibchen das Auto wäscht. Ob er über sie herfällt, wenn sie Socken stopft, kam nicht zur Sprache.

Ich wäre jedenfalls vorsichtig damit, den Knaben an der Fasnacht den Cowboy und den Indianer zu verbieten, wie kürzlich in einigen Kinderkrippen geschehen. Wenn die kleinen Friedensbotschafter geschlechtsreif geworden sind, steht möglicherweise der Fortbestand der Menschheit auf dem Spiel.

Doch dieses Mann-Frau-Ding funktioniert ja sowieso je länger, desto weniger. Das englischsprachige Facebook-Profil ermöglicht neuerdings die Auswahl zwischen 58 verschiedenen Geschlechtervarianten, während hierzulande nach wie vor nur die Wahl zwischen den biblischen Archetypen bleibt. An einer deutenden Auflistung der 58 Möglichkeiten, denen sich ein Individuum selbst zuordnen kann, versuchte sich kürzlich die «SonntagsZeitung».

Es liegt mir fern, die mit dem Begriff «Transgender» verknüpfte menschliche Problematik ins Lächerliche zu ziehen. Doch vor dem Hintergrund der oben erwähnten Phänomene stellen sich mir Fragen. Denn Gender meint ja – im Gegensatz zum biologischen Geschlecht – ein gesellschaftliches Konstrukt, weshalb die Korrelation zwischen als «männlich» oder «weiblich» empfundener Hausarbeit und sexueller Attraktion etwas unübersichtlich werden dürfte – auch bei weniger als 58 Varianten.

Wer von beiden spült denn jetzt das Geschirr? Wäscht das Auto? Saugt Staub und bringt den Müll runter? Wer wann wo und wie oft auf sie, ihn oder Was-auch-immer scharf ist, dürfte nur in intensiven, partnerschaftlichen Bewusstwerdungsprozessen zu ermitteln sein.

Aber was solls? Mit Haushaltsfragen tun sich schliesslich auch die Heteros schwer.

Karin Hoffsten lebt in Zürich und kann Hausarbeit grundsätzlich wenig abgewinnen.