Gripen und Mindestlohn: Guter alter Kalter Krieg

Nr. 19 –

Wer die Diskussionen über die Abstimmungsvorlagen vom 18. Mai zum Mindestlohn und zum Gripen-Kampfjet mitverfolgt, wähnt sich bisweilen um Jahrzehnte zurückversetzt. Die Gripen-BefürworterInnen kultivieren das Bild der Schweiz als wehrhafter Kleinstaat, der seinen Wohlstand gegen Neider zu verteidigen hat, und beschwören den alten Ost-West-Konflikt wieder herauf. Russland als Gefahr für die schweizerische Souveränität erhält sogar ein eigenes Kapitel im aktuellen Lagebericht des Nachrichtendiensts des Bundes. Die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ostukraine kommen da nicht ungelegen. «Manchmal braucht es solche Ereignisse, damit uns wieder bewusst wird, dass Sicherheit ein sehr wichtiges Gut ist», sagte Ueli Maurer am letzten Samstag im «Tages-Anzeiger».

Wenn er nicht gerade Interviews gibt, ist Major Maurer dieser Tage auf Gripen-Werbetour unterwegs mit grüner Giesskanne und einem Miniaturchalet ohne Dach, um zu illustrieren, was der Schweiz drohe, wenn keine neuen Kampfjets gekauft würden. Das Chalet als nostalgisches Objekt ist auch ein Symbol für die Häuslichkeit der fünfziger Jahre, als die Fronten zwischen Gut und Böse noch ebenso klar waren wie die Rollenverteilung der Geschlechter. Der Mann unterwegs zur Verteidigung des Vaterlandes, die Frau zu Hause im Haushalt, zusammen mit den anderen «Gebrauchtgegenständen». Dass Major Maurer seinen Witz über die Frau als «Gebrauchtgegenstand» schon an mehreren Gripen-Promoveranstaltungen gebracht hat, bevor sich jemand empörte, zeigt, welches Frauenbild in den Militärköpfen vorherrscht – und nicht nur dort.

Hans-Ulrich Bigler, der Direktor des Schweizer Gewerbeverbands, erklärte in einem Interview mit «20 Minuten», warum es keinen staatlich festgesetzten Mindestlohn brauche: Es seien ja in erster Linie «Zweitverdiener», die Minimallöhne erhielten. Nur in den wenigsten Fällen müsse dieser Lohn alleine zum Leben reichen. Dass Bigler, Oberst im Generalstab, mit «Zweitverdiener» vor allem Zweitverdienerinnen meinte, liegt auf der Hand. Derweil machte Biglers Partei, die FDP, mit einer Karikatur Stimmung gegen den Mindestlohn: Ein dunkelhäutiger, buckliger Gewerkschafter mit Hakennase dreht die sozialpartnerschaftlichen Abkommen durch den Fleischwolf. Nach der Intervention der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus zog die FDP das Inserat zurück.

Letzte Woche meldete sich dann auch noch Roland A. Müller, Direktor des Arbeitgeberverbands zu Wort: Die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen habe nichts mit Diskriminierung zu tun. Vielmehr seien Frauen nicht bereit, die gleichen Leistungen zu bringen wie Männer, was an ihrer inneren Einstellung liege. Dass Müller die in der Folge entflammte Kritik an seiner Aussage nicht verstand, zeigte sich deutlich im Interview mit der «NZZ am Sonntag», als er sich über Tieflohnbezügerinnen äusserte: «Diese Frauen verdienen nicht so wenig, weil sie Frauen sind. Sondern weil sie Tätigkeiten im Niedriglohnbereich ausführen. (…) Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun.» Aha!

Frauenfeindliche Sprüche, antisemitische Karikaturen, das Heraufbeschwören einer äusseren Bedrohung – sie alle mögen Anzeichen eines konservativen Rollbacks sein. Sie sind allerdings auch Ausdruck der bestehenden Verhältnisse in einer Schweiz mit 330 000 TieflohnbezügerInnen, von denen siebzig Prozent Frauen sind, im einzigen Land Europas, das gemäss einem unlängst veröffentlichten Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri derzeit auf- statt abrüstet. Militarisierung und Ungleichheit ermöglichen erst eine solche Sprache, die wiederum die Ungleichheit stärkt.

Am 18. Mai geht es daher auch um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Ein Nein zum Gripen ist ein Ja zur Abrüstung, ein Ja zu einer friedvollen und emanzipierten Gesellschaft, die sich nicht ins Réduit zurückzieht und in längst überholten Männlichkeitsfantasien schwelgt. Ein Ja zum Mindestlohn ist vor allem ein Ja zu weniger Ungleichheit. Nicht nur, aber auch zwischen Männern und Frauen. Trampeln wir den Herren Maurer, Bigler und Müller ruhig etwas durch die reaktionären Vorgärten ihrer gutbürgerlichen Chalets, bis es ihnen das Dach lupft.