Mindestlöhne: 1585 Franken pro Stunde

Nr. 19 –

Es ist noch nicht lange her, da lag die sogenannte Wirtschaft am Boden, ihre Glaubwürdigkeit war dahin. «Die Wirtschaft hat viel Vertrauen verloren, das müssen wir zurückgewinnen», sagte Valentin Vogt, der Präsident des Arbeitgeberverbands, neulich in der «Zeit».

Vertrauen bedingt Glaubwürdigkeit. Doch gerade damit hat die Wirtschaftselite Mühe. Während die Wirtschaftsverbände davor warnen, dass ein Mindestlohn von 4000 Franken im Monat oder 22 Franken die Stunde viel zu hoch sei, kassieren ihre VertreterInnen ein Vielfaches, wie die Unia in einer Studie nachgerechnet hat. Sie untersuchte die Vergütungen der Verwaltungsratsmandate von Politikerinnen und Wirtschaftsvertretern, die die Mindestlohninitiative bekämpfen, und schliesst daraus, dass diese mehr als das Zehn- und teilweise sogar das Hundertfache des Mindestlohns verdienen.

Die Vorstandsmitglieder des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse bekamen für ihre Mandate letztes Jahr im Schnitt 1585 Franken pro Stunde – das 72-Fache des geforderten Mindestlohns von 22 Franken. Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse und Axpo-CEO, kassierte 2013 im Durchschnitt 441 Franken pro Stunde. Hans Hess, der Vizepräsident des Wirtschaftsverbands, verdiente 814 Franken. Und Valentin Vogt vom Arbeitgeberverband bekam letztes Jahr einen Stundenlohn von knapp 250 Franken.

Für den hohen Durchschnitt der Economiesuisse-Mitglieder sorgen vor allem zwei Ausreisser nach oben: Urs Rohner, Präsident der Credit Suisse, mit einem durschnittlichen Stundenlohn von 11 043  Franken, und Rolf Dörig, unter anderem Präsident des Personalvermittlungsbüros Adecco, mit 4669 Franken.

Spitzenreiter unter den ausgewählten PolitikerInnen ist der Luzerner FDP-Ständerat Georges Theiler. Der Vizepräsident der Immobilienfirma Mobimo kassierte 2013 durchschnittlichen 2147 Franken pro Stunde. Die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter, die sich als oberste Detailhandelslobbyistin gegen den Mindestlohn von 22 Franken engagiert, erhielt letztes Jahr als Verwaltungsrätin der Versicherung Bâloise einen Stundenlohn von 682 Franken.

Angesichts dieser Löhne fragt sich: Ist es wirklich der Mindestlohn von 22 Franken, der in der Schweiz «Arbeitsplätze vernichtet»?