Porträt: «Die Schweiz hat mein Leben gestohlen»

Nr. 25 –

Meggiy Pombolo ist wieder in Zürich, der Stadt, in der sie zwölf Jahre gelebt und gearbeitet hat, bis sie 2009 zurück in die Demokratische Republik Kongo musste. Das Land, das noch Zaire hiess, als sie es verlassen hatte, ist ihr inzwischen fremd geworden.

Meggiy Pombolo am Zürcher Bellevue: «Ich wollte hier nicht kaputtgehen, und ich wollte nicht in Handschellen ausgeschafft werden. Darum entschied ich mich, in den Kongo zurückzukehren.»

1997 kam Meggiy Pombolo zum ersten Mal in die Schweiz. Nachdem sie als junge Studentin in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, gegen das Mobutu-Regime demonstriert hatte, fürchtete sie um ihre Sicherheit und flüchtete. Doch die Schweizer Behörden glaubten ihr nicht, ihr Asylgesuch wurde abgelehnt. Meggiy Pombolo blieb trotzdem, sie wollte arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. Sie hoffte, dass sie in der Schweiz ihr Jurastudium beenden könnte, auch als Journalistin hätte sie gerne gearbeitet. Aber diese Möglichkeiten blieben ihr verwehrt. Als abgewiesene Asylbewerberin ist es schwierig, überhaupt eine Stelle zu finden. Daher sei sie froh gewesen, dass sie als Serviceangestellte arbeiten und sich von ihrem Lohn ein Studio in Zürich mieten konnte.

Doch dann trat 2008 das verschärfte Asylgesetz in Kraft. Seither ist es abgewiesenen AsylbewerberInnen verboten zu arbeiten, und sie müssen mit den minimalen Unterstützungsleistungen der Nothilfe auskommen. Meggiy Pombolo war gezwungen, ihren Job aufzugeben und ihre Wohnung zu verlassen. Sie musste in die Notunterkunft in Hinteregg umziehen und erhielt nur noch fünfzig Franken pro Woche in Form von Migros-Gutscheinen. Nach elf Jahren in der Schweiz stand sie vor einem Scherbenhaufen. Ohne Papiere und ohne Arbeit, so wollte sie nicht leben. «Die Schweiz hat mein Leben gestohlen. Ich wollte hier nicht kaputtgehen, und ich wollte nicht in Handschellen ausgeschafft werden. Darum entschied ich mich, in den Kongo zurückzukehren – in der Hoffnung, dass ich dort etwas machen kann, worauf ich stolz sein könnte.» Die Entscheidung fiel ihr sehr schwer. All ihre FreundInnen lebten in der Schweiz, hier hatte sie sich ein Leben aufgebaut.

Eine vermeintliche Erfolgsgeschichte

Pombolo plante, in Kinshasa einen kleinen Laden zu eröffnen und Kleider zu verkaufen. Sie erstellte einen Businessplan, der nötig ist, um die Rückkehrhilfe des Bundes beanspruchen zu können. Ihr Projekt wurde vom Bundesamt für Migration (BFM) akzeptiert; nach ihrer Ankunft in Kinshasa im Jahr 2009 zahlte ihr die Internationale Organisation für Migration das Startkapital von rund 4000 Franken aus.

2013 machten über 3000 Personen von der Rückkehrhilfe Gebrauch. Allerdings erhalten längst nicht alle RückkehrerInnen die Möglichkeit, ein Projekt in ihrem Herkunftsland umzusetzen. Denn in vielen Fällen bezahlen die Behörden nur eine minimale Rückkehrhilfe.

Auf der Website des BFM sind zahlreiche Erfolgsgeschichten von Flüchtlingen zu lesen, die dank der Rückkehrhilfe ein neues Leben im Herkunftsland beginnen konnten. Die Geschichte von Meggiy Pombolo macht allerdings deutlich, wie schwierig ein Neuanfang sein kann. Das Schweizer Fernsehen drehte damals einen Dokumentarfilm über ihre Rückkehr. Ein Reporter filmte sie, während sie ihre Rückreise vorbereitete, und besuchte sie ein Jahr später im Kongo.

Heute bereut sie es, bei diesem Filmprojekt mitgemacht zu haben. Der Filmemacher habe viele Dinge ausgeblendet, die ihr wichtig gewesen seien. Sie wollte auch über die Schwierigkeiten reden, mit denen sie zu kämpfen hatte. In Kinshasa fühlte sie sich fremd und nicht akzeptiert. «Sie wollen mich weder im Kongo noch in der Schweiz. Ich kann mich verbiegen, wie ich will, ich passe nirgends rein», sagt Pombolo. Doch der Film erzählte die Geschichte einer erfolgreichen Rückkehrerin, die es geschafft hat, in ihrer «Heimat» eine Existenz aufzubauen. «Ich wurde als Beispiel missbraucht, um zu zeigen: Ihr könnt die Leute zurückschicken.» Meggiy Pombolo ist überzeugt, dass ihr der Film geschadet hat, viele KongolesInnen hätten sie dafür kritisiert. Ihr gelang es zwar mit Unterstützung von Bekannten aus der Schweiz, eine kleine Boutique in Kinshasa zu eröffnen. Doch 2011 wurde ihr Laden angegriffen und komplett zerstört. Noch einmal musste sie von vorne anfangen und alles wieder aufbauen.

Gesuch erneut abgelehnt

Seit Ende Oktober 2013 ist Meggiy Pombolo wieder in der Schweiz. Eine Freundin hat sie eingeladen und ihr dabei geholfen, ein Visum zu erhalten. Eigentlich wollte sie nur drei Monate bleiben, aber im November wurde ihre Boutique während ihrer Abwesenheit ein zweites Mal ausgeraubt. Das mache ihr Angst, sagt die 39-Jährige, sie fürchte, dass diese Leute auch ihr etwas antun könnten. Doch ihr erneutes Asylgesuch wurde abgelehnt, die Behörden wollen nun ihre Rückreise organisieren. Meggiy Pombolo wirkt müde und erschöpft, nachts kann sie nicht schlafen. Nicht zu wissen, wie es weitergeht, belastet sie sehr. «Jetzt habe ich genug, sie haben gewonnen. Ich habe keine Kraft mehr, ich mag nicht mehr kämpfen.» Die zahlreichen Enttäuschungen und Rückschläge haben bei ihr deutliche Spuren hinterlassen – und trotzdem, ganz aufgegeben hat Pombolo nicht: «Vielleicht habe ich ja doch noch eine Chance.»