Hungerstreik in Bangladesch: TextilarbeiterInnen als Geiseln

Nr. 34 –

Drei Monate lang verwehrte die Tuba Group in Bangladesch einem Teil ihrer ArbeiterInnen die Löhne. So versuchte sie, die Freilassung des Geschäftsführers zu erzwingen, der 2012 für einen tödlichen Brand verantwortlich war.

Ende Juli 2014 traten in Bangladesch 1600 TextilarbeiterInnen aus fünf Fabriken in einen Hungerstreik, nachdem sie drei Monate lang keinen Lohn erhalten hatten. Wochenlang hatten sie erfolglos versucht, mit Protesten und Briefen an die Geschäftsleitung der Textilfirma Tuba Group sowie an die Unternehmervereinigung Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) ihr Gehalt einzufordern. Nachdem das Ultimatum der Gewerkschaft Garment Workers Unity Forum (GWUF) ohne Antwort blieb, verkündeten sie, in den Hungerstreik zu treten, wenn nötig bis zum Tod.

JournalistInnen unerwünscht

Während des elftägigen Hungerstreiks besetzten die ArbeiterInnen drei Fabrikgebäude der Textilfirma Tuba Group. Viele von ihnen kollabierten nach wenigen Tagen – die meisten waren schon vor dem Streik unterernährt. Schliesslich kappte die Polizei die Wasserversorgung der Fabrik, verbot den ÄrztInnen, die Kranken unter den Streikenden zu behandeln, und verwehrte JournalistInnen den Zutritt zu den Gebäuden. Tags darauf räumte sie die Fabriken und verhaftete fünfzehn ArbeiterInnen. Diese wurden am folgenden Morgen wieder aus dem Gefängnis entlassen, und sämtliche ArbeiterInnen erhielten die ausstehenden Löhne. Die zudem üblichen Bonuszahlungen sind noch immer ausstehend.

Die fünf Fabriken stellten unter anderem die deutschen Fantrikots für die diesjährige Fussballweltmeisterschaft her, dies im Auftrag einer Tochterfirma des deutschen Discounters Lidl. Überhaupt spülte die WM Hunderte Millionen Franken in die Kassen der Textilunternehmen in Bangladesch: Das Land produzierte praktisch alle Fantrikots für den Fifa-Anlass.

Nur wenige Tage bevor die ArbeiterInnen in den Hungerstreik traten, wurde Delwar Hossain, der Geschäftsführer der Tuba Group, aus dem Gefängnis entlassen. Er sass seit Februar dieses Jahrs wegen vorsätzlicher Tötung in Haft.

«Es ist ein dreckiges Spiel, das die BGMEA und die Tuba Group mit uns spielen», schreibt Mushrefa Mishu, die Präsidentin von GWUF, in einem Protestschreiben. «Sie wollten uns sagen: ‹Schaut her, wenn der Geschäftsleiter im Gefängnis sitzt, kann er euch auch keine Löhne zahlen›», so Mishu. Bereits im Februar und im Juni hatte Hossain erfolglos versucht, gegen Kaution aus dem Gefängnis freizukommen. Doch am 24. Juli liess das Gericht Hossain gehen – nachdem er versichert hatte, im Fall seiner Freilassung die ausstehenden Löhne zu zahlen. «Die ArbeiterInnen der Tuba Group wurden in Geiselhaft genommen, um Hossains Freilassung zu erzwingen», schreibt Mishu. Neben der Zahlung der Löhne forderten die Hungerstreikenden deshalb auch, dass Hossain wieder ins Gefängnis wandert und dass die geschlossenen Fabriken wieder geöffnet werden.

Tuba-Geschäftsführer Hossain sass im Gefängnis, weil im November 2012 in seiner Fabrik Tazreen Fashions rund 130 Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen waren. Eine Untersuchungskommission der Regierung von Bangladesch beschuldigte unter anderem die Geschäftsleitung: Sie hatte während des Brands angeordnet, die Türen der Fabrik vollständig zu verriegeln. Hunderte Menschen waren deshalb in dem brennenden Gebäude eingeschlossen. Der Fall löste international Bestürzung aus – und lenkte die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Zustände in Bangladeschs Textilfabriken.

Türen systematisch verschlossen

In der Schweiz reagierten der Solidaritätsfonds für soziale Befreiungskämpfe in der Dritten Welt (Solifonds) und die Gewerkschaft Unia auf den Hungerstreik in Bangladesch. In einem Brief forderten sie den Präsidenten der BGMEA und die bangladeschische Regierung auf, dafür zu sorgen, dass den ArbeiterInnen neben den Löhnen auch die ihnen zustehenden Boni bezahlt würden. Antwort haben sie bisher keine erhalten. «Dieser Vorfall zeigt, dass die Situation für die TextilarbeiterInnen in Bangladesch nach wie vor sehr prekär ist», sagt Yvonne Zimmermann vom Solifonds.

Nach dem Brand der Tazreen-Fabrik sowie einem weiteren Brand Anfang 2013 unterzeichneten zwar die Texilunternehmen ein Brandschutzabkommen, das ähnliche Katastrophen in Zukunft verhindern soll. ArbeiterInnen hätten allerdings gegenüber dem Solifonds gesagt, dass auch heute noch Türen von Fabriken systematisch verschlossen und Gewerkschaften nicht in die Gebäude gelassen würden, sagt Zimmermann: «Ein Fabrikbrand wie 2012 könnte wieder zu einer Katastrophe führen.»